Mit dem Mountainbike von Kathmandu (Nepal) via "Friendship"-Highway, über den Himalaja-Hauptkamm nach Tibet und zum Mount Everest Base-Camp (5400 m NN).
Am Morgen geht's endlich los
Und wie es los geht. Nach gerade 50 Metern beim durchqueren unseres ersten Hindernisses, einem Bach, sinkt das Vorderrad von Thomas erst einmal bis zum Steuerrohr in ein tiefes Loch ein. Nach vorne abgestiegen, die eine Hand aufgerissen, die andere gestaucht. Nichts desto trotz schwingen wir uns dann alle auf die Räder und vor uns liegen 45km das Tal hoch zur Rückseite des Himalayas. Der Weg schlängelt sich an den steilen Bergflanken, die hier von Fünftausendern steil in die Schlucht stürzen, endlos das wunderschöne Tal hoch.
Ein beeindruckendes Naturschauspiel ist der gemächliche Übergang von der subtropisch grünen Nepal-Seite, hoch zur immer karger und alpiner werdenden Tibet-Hochebene.
Die gewaltigen Wasserfälle, die anfangs noch von allen Seiten tief in die Schlucht stürzten, werden immer spärlicher und die Vegetation trockener. Hier und da sind schon einige höhere schneebedeckte Gipfel zu erkennen.
Der Weiterweg führt uns dann am nächsten Tag entlang der Hochebene zum Pang la Pass. Es gibt zwar keine wesentlichen Steigungen, aber wir kämpfen mit dem Gegenwind und ein bißchen mit dem inneren Schweinehund. Die Straßen sind endlos lang und wer solche Straßen kennt, der weiß, wie sich da die Kilometer so hinziehen können.
Nachdem wir uns nun doch recht gut an die Höhe angepaßt haben, geht es nun endlich weiter, vorbei an einzelnen Bergdörfern in einer sehr kargen und trockenen Umgebung, völlig anders wie noch kurz zuvor in Nepal.
Die Berge sind steinig, sandig und lehmig und es gibt eine Vielzahl verschiedener Brauntöne in allen Schattierungen.
Diese Kombination von braun, weißen Bergkuppeln und tiefblauem Himmel ist schon wirklich faszinierend hier, auch wenn die Landschaft sonst eher etwas karg aussieht. Kein Bäumchen, kein Grashalm...!
Tingri
Als nächste Station zum Akklimatisieren wählen wir Tingri. Ein kleiner Ort in der Hochebene von Tibet auf 4350m, wo die Menschen von den Geschäften mit den Durchreisenden leben. Am Strassenrand verkaufen sie in der Sonne getrocknetes Lammfleisch, verstaubt von den vorbeifahrenden Trucks. Unser Koch möchte ein so getrocknetes Lamm als Vorrat mitnehmen; wir lehnen dankend ab und sind uns einig: wir wollen lieber vegetarisch essen...
Wir Campen in der Nähe eines Dorfes, wo Menschen unter sehr einfachen Verhältnissen leben, die für uns Westeuropäer kaum vorstellbar sind. Sie haben keinerlei maschinelle Hilfsmittel, bearbeiten die Felder mit Handwerkzeugen und Yaks.
Die nächsten Orte mit Strom oder sogar Telefon sind drei Tagesreisen entfernt. Trotz alledem machen sie einen glücklichen und zufriedenen Eindruck.
Die ersten Achttausender
Auf dem Weg sehen wir unseren ersten Achttausender. Ich dachte, die Sechs- und Siebentausender, welche wir zuvor gesehenen haben sind gewaltig, aber die Ausmaße und Mächtigkeit dieses Berges lassen uns alle erschaudern. Ein weisser Koloss, mit riesigen Gletschern steht vor uns, umrahmt vom Blau des Himmels. Mit neuem Antrieb radeln wir weiter. Der Weg ist übersät mit Steinbrocken und Schlaglöchern und ist zudem durch die Antriebe der Trucks mit kurzen Querwellen versetzt. Schnell erkennen wir die Vorteile unserer Federgabeln.
Buttertee
Eine Familie lädt uns zum Tee ein und wir haben die Möglichkeit eines der Lehmhäuser von innen zu sehen. Der Hauptraum ist mit einem Ofen beheizt, auf dem auch gekocht wird. Der Raum dient als Küche, Ess- und Schlafraum für die ganze Familie. Wir bekommen Buttertee serviert: Heisses Wasser mit ranziger Butter und Salz.
Ich versuche, den Buttertee so schnell wie möglich runterzuwürgen, was sich aber als schlechte Taktik herausstellt. Der freundliche Tibetische Gastgeber schenkt grundsätzlich nach jedem Schluck nach. Das Glas bleibt immer voll und der Buttertee ist wirklich kein Genuss.
Pang la Pass
Am nächsten Morgen geht´s dann auf Richtung Pang la Pass, das heißt Schluß mit lustig und mal wieder richtig in die Pedale treten. Die letzten Tage sind mir und den andern noch eher mit Kopfbrummen als mit einer netten Biketour in Erinnerung. Wir müssen auf 5150m mit dem Bike und da wir ja sowieso keine andere Wahl haben, starten wir voller Elan und vielleicht mit ein wenig zu viel Power in einer Höhe von 4100m. 1050 Höhenmeter sind zu überwinden! Hört sich eigentlich ganz harmlos an. Aber in diesen Höhen ist es irgendwie anders. Ich fülle 3 Liter Isotonisches Getränk in mein Camelbak , befestige das Band meines Pulsmessers und fahre gemächlich los mit einem Puls von 120-130 p/m. Obwohl ich mir viel Zeit lasse und ständig trinke ist die Fahrt extrem anstrengend. Nach jeder Kehre, nach jedem Höhenmeter wird es immer mühsamer und ich muss mich auf jeden Tritt konzentrieren.
Nur langsam schraubt sich mein Höhenmesser nach oben und es scheint kein Ende zu nehmen. Kehre um Kehre. Ab 4800m kann ich während der Fahrt nicht mehr trinken und muss immer öfter kleine Pausen einlegen. Die dünne Luft macht mir gewaltig zu schaffen. Auf 5000m ist nur noch 50% Sauerstoffgehalt vorhanden.
Ich behalte meinen Pulsmesser im Auge und sehe die anderen mit den gleichen Problemen kämpfen. Oben angekommen werden wir nicht mal mit dem Panorama auf die grössten Berge der Welt belohnt: zum ersten Mal seitdem wir in Tibet sind ist es wolkig.
Am Fuß des Mt. Everest
Eine Belohnung der anderen Art ist aber die darauffolgende Fahrt ins Tal des Mt. Everest. Sie stellt sich als klassischer Downhill heraus und wir werden für all die Mühen und Strapazen des Anstiegs belohnt. Auch wenn es uns trotz dem Fully´s und den Biogrip´s ganz schön durchschüttelt.
Sehr steil mit vielen Kehren und felsigen Passagen führt der Weg im oberen Teil noch durch Geröllhalden und schlängelt sich dann in ein wunderschönes, völlig abseits gelegenes Tal, mit kleinen Siedlungen, die wie Oasen in der kargen Landschaft liegen.
All unsere Blicke sind auf diese Wolkenfront im Süden gerichtet, hinter der sich der „Berg der Berge“ versteckt. Ständig scheint er zum Vorschein zu kommen, doch immer wieder schiebt sich eine neue Wolkenfront davor. Gespannt und geduldig harren wir aus.
Plötzlich hellen die Wolken auf. Zuerst sehen wir nur den Westgrat. dann den Ostgrat.
Nur der Gipfel bleibt verhüllt. Doch endlich lösen sich die letzten Wolkenfetzen auf und der Mt. Everest steht in seiner ganzen Pracht und Grösse, alles überragend, ja majestätisch vor uns. Wir sind überwältigt und können unser Glück kaum fassen.