Special Topic Avalanche Accidents (Session 13)
Die Beiträge dieser Session lassen sich in zwei Hauptkategorien gliedern: Einerseits werden einzelne Lawinenperioden bzw. Lawinenunfälle besprochen, die auf irgendeine Weise „besonders“ waren – etwa aufgrund besonders hoher Schäden oder extremer Wetterlagen. Andererseits widmen sich mehrere Forscherteams bzw. LWDs der langfristigen Entwicklung von Lawinenunfallstatistiken in ihrer Region und entsprechenden statistischen Mustern hinsichtlich: „Wer? Wieviele? Wann? Warum?“
Einzelne Ereignisse, Katastrophenlawinen, Extremsituationen
Anlässlich des 50. Gründungsjubiläums des Österreichischen Kuratoriums für alpine Sicherheit (KURASI), wurde an die beiden Lawinenunglücke erinnert, die für diese Gründung ausschlaggebend waren: Am 3. Januar 1965 wurde eine Gruppe niederländischer Jugendlicher auf der Straße zwischen Obertauern und dem Hotel Scheidegg von einer Lawine erfasst. 3 Personen kamen ums Leben. Am 2. März des gleichen Jahres wurde unweit des ersten Unfallorts ein Reisebus durch eine Lawine von der Straße geschoben. 14 Passagiere verstarben, viele weitere wurden verletzt. Der zweite Unfall hatte auch rechtliche Folgen, da die Straße zum Unfallzeitpunkt geöffnet war, und führte schließlich zur Gründung des KURASI, welches eine organisationsübergreifende, dokumentarische Funktion seither einnimmt. Zudem spricht das Kuratorium – auf Basis der mittlerweile sehr umfangreichen eigenen Datenbank – Empfehlungen zur Vermeidung von Alpinunfällen aus. (The catastrophic avalanches in 1965 near Obertauern and the 50th anniversary of the Austrian Board of Alpine Safety, Höller, O13.3)
Ein Lawinenunglück der jüngeren Vergangenheit, von dem sich Betroffene Veränderungen im Umgang mit der Lawinengefahr erhoffen, ist der Unfall in Sölden 2015, bei dem zwei Nachwuchsrennfahrer aus den USA ums Leben kamen. Die Familien der Opfer haben eine Organisation gegründet, die vor allem in den USA und im Rennsport Bewusstseinsbildung betreibt. Bei der ISSW forderte die Mutter eines Opfers, dass man die Gefahrenstufenskala umgestalten müsse, so dass LWS 3 bereits die maximale, potentiell tödliche Warnstufe darstellen solle. Zudem müsse die Kommunikation der Gefahr und der gesicherten und ungesicherten Bereiche in den Skigebieten verbessert werden. Sie kritisierte zudem das oftmals verharmlosende, Powder-lastige Marketing vieler Skigebiete (Soelden 2015 avalanche: What can be learned, Berlack, kein extended Abstract).
Die Lawine, die im Januar 2017 in Rigopiano (Italien) ein Hotel zerstörte, hatte ebenfalls ein rechtliches Nachspiel. Im Rahmen der Ermittlungen bzw. des Gerichtsverfahrens, wurden Experten als Gutachter herangezogen, um zu klären, wie es zu dieser Lawine kam und den Einsturz des Hotels aus bautechnischer Sicht zu untersuchen. Diese erläutern in einem Session-Beitrag die „forensische“ Lawinenkunde, die nach einer großen Schadenslawine stattfindet.
Die entsprechenden Schneedeckenuntersuchungen waren nicht nur aufgrund des Geländes und bestehender Lawinengefahr komplex, sondern mussten so schnell wie möglich durchgeführt werden, bevor sich die Bedingungen zu stark veränderten. Neben den üblichen Schneedeckenuntersuchungen wurde die Lawinenbahn detailliert vermessen, sowie Waldschäden genau erfasst, da diese Rückschlüsse auf die Lawinendynamik zulassen. Dendrochronologische Untersuchungen können theoretisch Indizien über die Häufigkeit großer Lawinen in bestimmten Lawinenstrichen liefern, allerdings kam man in diesem Fall zu dem Schluss, dass die Lawine so groß war, dass sie alle Bäume zerstört hätte, die frühere, ähnliche Lawinen „erlebt“ haben könnten. Geomorphologische, geophysikalische und GIS-basierte Untersuchungen deuten darauf hin, dass es am Unfallort schon früher große Lawinen gegeben haben könnte, dass diese aber selten auftreten (The 18th January 2017 Rigopiano avalanche disaster in Italiy – Analysis of the applied forensic field investigation techniques, Chiambretti et al., O13.4).
Weniger tragisch, aber aus wettertechnischer Sicht spektakulär, war der Starkniederschlag in Niederösterreich im April 2017. Der LWD NÖ lässt dieses Ereignis Revue passieren: Nachdem der tägliche Lagebericht schon Ende März eigestellt wurde, wurde man in der dritten Aprilwoche aus dem Sommerschlaf gerissen. In 30 Stunden fielen teils über 200cm Neuschnee. Am 20. April wurde in den Ybbstaler Alpen LWS 5 ausgegeben – für Niederösterreich sehr, sehr ungewöhnlich – und einige Straßen wurden gesperrt. Gleitschneelawinen waren das Hauptproblem. Es kamen keine Personen zu Schaden und der Tonfall im (deutschsprachigen) Rückblick des LWD NÖ wirkt eher erfreut-fasziniert als betroffen – beim Erstellen dieser Zusammenfassung war das durchaus eine willkommene Abwechslung zwischen all den überhaupt nicht erfreulichen Katastrophenmeldungen (Avalanche Danger Level 5 in Lower Austria in April 2017 - a Case Study, Studeregger et al., P13.6.).