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Equipment

Einblicke in die (Weiter)Entwicklung einer Tourenbindung

PowderGuide im Know-How-Transfer mit einem Equipmentpartner

von Sebastian Siep ‱ 15.02.2025
Es ist leicht vorstellbar, dass hinter der EinfĂŒhrung und Weiterentwicklung einer Skitourenbindung eine Menge Arbeit steckt. Doch wie genau der Prozess des Feedbacks von verschiedenen NutzerInnen, AthletInnen und Guides ablĂ€uft, und was das an Mehrwert fĂŒr den Entwicklungsprozess bietet, das erfahrt ihr hier.

Fritschi und PowderGuide - das geht jetzt schon ĂŒber eineinhalb Jahrzehnte gemeinsam. Die Auswirkungen einer solchen Partnerschaft sind dann doch weitreichender als man es zunĂ€chst von außen vermutet, denn der Austausch ist intensiv und unser Feedback wird als Partner wertgeschĂ€tzt. Und so fanden wir uns im vergangenen Winter wiederholt in Reichenbach im Berner Oberland ein. Dort montiert Fritschi nicht nur Ski fĂŒr und mit uns, sondern dort sitzt vorranging die gesamte Entwicklung und Produktion der Fritschi-Tourenbindungen. Man öffnet uns bereitwillig die TĂŒr fĂŒr einen Erfahrungsaustausch zur Freeride-orientierten Hybridbindung Tecton - schon vorweg genommen, dabei blieb es dann nicht. Die Bindung erfreut sich bei einigen unserer User und generell auf dem Freeride-Markt seit Jahren hohen Zuspruch und erfĂ€hrt vielfach intensiven Einsatz.

WĂ€hrend wir viele kleine Details und VerbesserungsvorschlĂ€ge besprechen, wird uns gleichzeitig die Entwicklungsarbeit anschaulich erklĂ€rt. Neben den bereits bekannten Einblicken in die Produktion, die wir in den vergangenen Jahren intensiv und mehrmals besuchen konnten, erhalten wir diesmal eine ausfĂŒhrliche ErklĂ€rung zum QualitĂ€tsansatz, der schon frĂŒh in die Entwicklung einer Bindung integriert wird. Zum Abschluss dĂŒrfen wir die firmeneigene „Folterkammer fĂŒr Tourenbindungen“ besichtigen und uns die vielfĂ€ltigen Testverfahren sowie die dazugehörigen Einrichtungen im Detail anschauen. So wird uns nicht nur die KomplexitĂ€t der Bindung und die dahinterstehenden Entwicklungsideen nĂ€hergebracht, sondern auch das hohe Verantwortungsbewusstsein, mit dem Fritschi diese Aufgabe angeht.

In den FeedbackgesprĂ€chen mit der Entwicklung, dem Vertrieb und der GeschĂ€ftsfĂŒhrung, bei denen unsere RĂŒckmeldungen mit großer WertschĂ€tzung aufgenommen werden, erfahren wir von den vielfĂ€ltigen Anforderungen, die AthletInnen, Guides und international agierende Meinungsbildner an das Lastenheft einer Bindung stellen. Dabei berichten sie von außergewöhnlichen Herausforderungen, wie dem Skifahren im Saharastaub oder der mehrtĂ€gigen Lagerung des Equipments unter extremen, arktischen Bedingungen – Anforderungen, die an das erfahrene Entwicklungsteam gestellt werden. Die Auswirkungen dieser besonderen Bedingungen auf den Produktentstehungsprozess können wir uns in ihrer ganzen Tiefe kaum vorstellen.

Sie gewĂ€hren uns einen faszinierenden Einblick in die kleinen, aber feinen Details der neuesten Generation der Tecton, die auch vom PG-Team bereits intensiv getestet wird. Dabei erlĂ€utern sie uns anschaulich die VerĂ€nderungen, die aufgrund der vielfĂ€ltigen RĂŒckmeldungen umgesetzt wurden, und verdeutlichen, wie diese in das neue Modell eingeflossen sind.

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Es ĂŒberrascht uns, wie scheinbar sehr persönliche Erfahrungen die Entwickler dazu angeregt haben, ihr bereits erfolgreiches Produkt weiter zu optimieren. Schließlich handelt es sich bei einer Bindung in erster Linie um ein Sicherheitsprodukt, bei dem die FunktionalitĂ€t und Handhabung Vorrang vor etwaigen Gewichtseinsparungen haben. NatĂŒrlich soll die Bindung leicht sein, aber gleichzeitig muss sie auch eine hohe Verwindungssteifigkeit aufweisen, um prĂ€zise SkifĂŒhrung im absturzgefĂ€hrdeten GelĂ€nde zu ermöglichen.

Zudem muss sie robust genug sein, um mit der Skistockspitze, dem hĂ€rtesten AusrĂŒstungsgegenstand eines Skifahrers, bedient werden zu können. Diese Anforderungen gilt es im Zusammenspiel mit den Anwendern kontinuierlich zu verfeinern. Im Laufe der Jahre ergibt sich so auch empirisch ein erhebliches Optimierungspotenzial, das den Entwicklungszyklus vorantreibt. Die dafĂŒr aufgebrachten Ressourcen sind fĂŒr einen Sportartikelhersteller, der sich im gesĂ€ttigten Skitourenmarkt gegen deutlich grĂ¶ĂŸere Wettbewerber mit weniger innovativen, aber etablierten Produkten behaupten will, besonders bemerkenswert.

Zum besseren VerstĂ€ndnis: Jede noch so kleine Änderung muss zunĂ€chst an einem Prototyp getestet werden. Wenn Leichtbauteile aus Kunststoffen oder hochbelastbare Bauteile aus Faserverbundstoffen verĂ€ndert werden, erfordert dies die kostspielige Freigabe neuer oder angepasster Werkzeuge fĂŒr die zuverlĂ€ssige Serienproduktion.

Dass es dabei nicht nur um wenige Zehntel Millimeter Material mehr oder weniger geht, wird uns erst bei den zahlreichen PrĂŒfstĂ€nden und Einrichtungen in der QualitĂ€tsabteilung richtig klar. Ein Beispiel: Ein Carbonteil hat eine andere Feuchtigkeitsaufnahme als ein vergleichbares Spritzgussteil, was zu einer unterschiedlichen Vereisungsneigung fĂŒhrt. An diesem Punkt befinden wir uns mitten im Entwicklungsprozess.

Die Entwickler nehmen sich viel Zeit - bis weit nach Feierabend -, um uns die verschiedenen Tests ausfĂŒhrlich zu erklĂ€ren. Neben den unterschiedlichen Witterungsbedingungen, die in der KĂ€ltekammer simuliert werden, werden auch Langzeiteffekte unter UV-Strahlung oder Salzwasser getestet. Dabei wird die ZuverlĂ€ssigkeit der Bindung sowie ihre mechanischen Eigenschaften kontinuierlich ĂŒberprĂŒft.

Jede neu konfigurierte Feder wird zunĂ€chst auf ihr Setzverhalten geprĂŒft. Bei Fritschi bedeutet das, wie verĂ€ndert sich ihre Charakteristik nach 1.000 Belastungszyklen des Einspannens und Auslösens?

Das schaut im Bewegtbild dann so aus:

Erst wenn diese Tests bestanden sind, wird die Feder als funktionssicher eingestuft. Auch jedes Produkt, das die Serienproduktion verlĂ€sst, unterliegt einer FunktionsprĂŒfung, die die kritischen Einsatzpunkte nochmals ĂŒberprĂŒft. Besonders hervorzuheben ist hier die PrĂ€zision bei der Einstellung des Auslösewertes. Dabei wird auch die Wiederholgenauigkeit der Einstellungen geprĂŒft: Jeder Fersenautomat wird mehrfach auf den maximalen und minimalen Wert eingestellt und ausgelöst, dazwischen immer wieder entspannt, um dem Setzverhalten der Bauteile des GehĂ€uses entgegenzuwirken.

In einem Abschnitt (2:30-2:35) des Tecton-Produkt-Videos ist das gut zu sehen:

In einer weiteren SerienprĂŒfung wird die Sicherheitsfunktion des Vorderbackens getestet. Auch hier wird immer wieder neu eingespannt, bevor die Seitenteile ausgelöst werden. Durch diese umfassenden PrĂŒfungen wird die ZuverlĂ€ssigkeit der Federsysteme in jeder auszuliefernden Bindung sichergestellt.

Dies wird anschaulich ein bisschen spÀter im gleichen Video gezeigt (2:55-3:02):

Alle Serientests entsprechen den Alpinstandards und heben sich laut Fritschi im Tourenmarkt deutlich hervor. Die detaillierte AufzĂ€hlung der vielen VergleichsprĂŒfungen und Tests wĂŒrde hier den Rahmen sprengen. Was uns jedoch besonders beeindruckt hat, ist der hohe Stellenwert, den Fritschi in ihrer komplexen Produktentwicklung der QualitĂ€tssicherung beimisst.

Schon eine Woche spĂ€ter biege ich auf meinem Weg ins Wallis wieder links ab, um einen weiteren persönlichen Erfahrungsbericht einer Langzeitnutzerin aus Norwegen vorbeizubringen. Irgendwie fĂŒhlt man sich mitverantwortlich und wartet gespannt auf die nĂ€chste ProduktankĂŒndigung aus Reichenbach.

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