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Interviews

PowderPeople | Extrembergsteiger Basti Haag

Der Extrembergsteiger im Gespräch mit PowderGuide

von Baschi Bender 09.01.2013
Basti Haag ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Extrem-Skibergsteiger. Am 23. September 2012 entging Basti knapp einem der größten Lawinenunglücke Nepals. 30 Menschen wurden hierbei verschüttet, – 11 sind dabei leider ums Leben gekommen. Basti war einer der ersten, der am Unglücksort war. PG sprach mit ihm über seine Erlebnisse.

PowderGuide: Hi Basti schön, dass du hier bist und Zeit für uns hast. Wie bist du eigentlich zum Skibergsteigen gekommen?
Basti Haag: Ich wurde quasi mit Skiern geboren. Meine Eltern sind beide staatlich geprüfte Skilehrer und haben mich schon auf die Ski gestellt, als ich kaum laufen konnte. Ich bin dann erstmal „nur“ alpin gefahren. Der große Umbruch kam dann im Studium. Zum einen hatte ich nicht mehr die Kohle für den Liftpass, zum anderen hatte ich dann erst richtiges Touren-Equipment.

PG: Wieso Skibergsteigen auf so große Berge und warum immer auf Speed?
Basti: Die hohen Berge waren einfach die logische Konsequenz aus dem was wir davor gemacht haben. Ich war mit meinem Kumpel Beni Böhm viele Jahre in den Bayerischen und Tiroler Alpen unterwegs, dann in den West-Alpen, weiter in Südamerika und später im Himalaya. Letztendlich wollten wir uns testen, wir wollten wissen, ob wir es auf die 8000er schaffen. Tja und das Ganze auf Gewschindigkeit. Speed ist auf jeden Fall mehr Benis Disziplin. Ich hab immer nach Linien gesucht, wie man einen 8000er mit Ski abfahren kann. Wenn ich das dann noch mit einer Speed-Begehung kombinieren kann, ist es perfekt. Also Speed-Begehung heißt dann, aus dem Basislager in einem Rutsch hoch und wieder runter, ohne Lagerketten, ohne Übernachtungen.

PG: Wie viel trainierst du dafür?
Basti: Training ist bei uns Leidenschaft; ich bin glücklich wenn ich trainieren kann. Wenn es geht, trainiere ich jeden Tag. Ich habe keinen wirklichen Plan. Im Winter versuche ich einfach jeden Tag auf die Ski zu kommen und laufe dann am liebsten 3000 Höhenmeter. 2000 sind aber auch noch ok, aber bei 1000 bin ich dann schon etwas unzufrieden.

PG: Was war dein größter Erfolg?
Basti: Die Skibefahrung am Gasherbrum II und natürlich auch die Speed-Begehung, aber mehr noch die Skibefahrung vom Gipfel ins Basislager und das Ganze ohne ein Seil anzufassen!

PG: Was war die größte Niederlage?
Basti: Mein größter Misserfolg war sicher das Scheitern am Broad Peak, da wir einfach Fehler gemacht haben, die richtig übel hätten ausgehen können.

PG: 2007 warst du am Manaslu und ihr musstet wegen der Lawinensituation umdrehen. Wie trefft ihr in solchen Situationen eure Entscheidungen?
Basti: Damals hatte es extrem viel geschneit, es waren schon viel Lawinen abgegangen, aber noch nicht alle und wir hatten uns einfach sehr unwohl gefühlt. Wir waren ungefähr auf 7300 m Höhe, in der Nähe dort wo jetzt wieder die Lawine abgegangen ist.

PG: Diese Jahr ging wieder eine bzw. zwei riesige Lawinen am Manaslu ab und haben Camp 3 mitgerissen und Camp 2 teils verschüttet. Wie hast du das ganze erlebt?
Basti: Die Lawine ging um kurz vor fünf morgens runter und die Leute waren noch in ihren Zelten. Wir selber hatten unsere Zelte nahe Camp 2 aufgestellt. Glücklicherweise etwas weiter weg vom normalen Camp 2, da dort kein Platz mehr war und wir uns dort auch nicht wohl fühlten. Man muss wissen, dass in diesem Jahr extrem viel Bergsteiger am Manaslu waren. Die meisten, inklusive uns, wollten eigentlich an einen anderen Berg, aber dieser liegt in China und die Chinesen haben keine Touristen ins Land gelassen, da die Regierung Angst vor Unruhen in Tibet hatte und nicht wollte, dass irgendwelche Bilder von Mönchen, die sich anzünden um die Welt gehen... Als Beispiel: 2007 waren wir 15 Bergsteiger am Manaslu, dieses Jahr waren es 300 Bergsteiger und dann kommen noch die vielen Sherpas und Köche hinzu.

Aber zurück zur Lawine. Es ging eine erste Lawine ab, von der wir die Druckwelle spürten, ausgelöst wahrscheinlich durch einen großen Serac, der abgebrochen ist. Zu dem Zeitpunkt waren wir schon wach und gerade am Schneeschmelzen für Tee. Aufgrund der heftigen Druckwelle dachten wir uns schon, dass die Lawine nahe und groß gewesen sein muss. Kurz darauf ging eine zweite Lawine ab, die wahrscheinlich das komplette Camp 3 mitgerissen hat. Wir haben direkt danach Schreie gehört und auch Lichter von Stirnlampen gesehen, da es zu dem Zeitpunkt noch stockdunkel war.

PG: Wie seid ihr dann vorgegangen?
Basti: Erst war ja nicht klar, was tatsächlich los ist und wir mussten uns noch anziehen. Zudem wussten wir nicht, ob noch weitere Lawinen folgen. Wir sind dann allerdings ziemlich schnell los und waren ca. 30 Minuten später am Unglücksort und haben sofort mit der Bergung begonnen.

PG: Wie muss man sich das Vorstellen, wie habt Ihr gesucht?
Basti: Eigentlich ganz einfach. Zuerst wurde versucht allen zu helfen, die irgendwie an der Oberfläche waren. Es sind ja 30 Leute erfasst worden und zum Teil 600 Höhenmeter mitgerissen worden. Die Leute waren zum Teil in Unterwäsche, da sie aus Zelt und Schlafsack herausgeschleudert wurden. Es war das absolute Chaos. Aber immerhin konnten sehr schnell Hubschrauber kommen, da das Wetter gut war, was sicher vielen das Leben gerettet hat. Wir haben versucht die Leute mit heißen Getränken, Medikamenten und Sauerstoff zu versorgen und sie möglichst vor Erfrierungen zu bewahren.

PG: Wenn man sich den Hang ansieht, dann ist er offensichtlich Lawinen gefährdet, wieso werden dort Zelte aufgestellt?
Basti: Das ist schwer zu sagen und ich will nicht derjenige sein, der sagt man hätte dort keine Zelte aufstellen dürfen. Man kann nicht sagen „wir haben es richtig gemacht und die falsch gemacht“. Die Camps stehen mehr oder weniger immer an der gleichen Stelle und es gibt nicht viele Möglichkeiten auszuweichen. Man hätte natürlich noch warten können, bis sich die Lawinenlage beruhigt, es war ja ein Schönwetterfenster vorher gesagt.

PG: War es dann vielleicht das Problem, dass so viele am Berg waren und wenn einer vorgeht, dann folgen die anderen?
Basti: Mit Sicherheit spielt das eine Rolle. Wenn erst mal 30 Leute ihr Zelt aufgebaut haben, macht man sich natürlich nicht mehr so viel Gedanken über eine Lawine.

PG: Was hab ihr dort dann an Sicherheitsausrüstung dabei? Schläft man dann mit LVS-Ausrüstung?
Basti: Nein, im normalen Fall nicht. Wir hatten z.B. in unserer Gruppe von 6 Leuten nur ein LVS Gerät dabei, dass wir aber nicht bei der Suche benutzt haben. Die Lawinen dort sind meistens so riesig, dass eine Suche mit LVS kaum Sinn macht bzw. oft niemand mehr da ist, der suchen könnte. 

PG: Ich habe allerdings gelesen, dass beispielsweise Glen Plake, der auch unter den Verschütten war und überlebt hat, ein LVS anhatte.
Basti: Ja, von 30 Verschütteten hatten drei ein LVS an. Allerdings gehen da die Meinungen der Bergsteiger weit auseinander: denn wenn du dich mit LVS auf der Brust in den Schlafsack legst, dann stimmt vielleicht auch einfach etwas nicht.

PG: Okay. Aber wie kannst du nach so etwas weiter machen? Du hast Verletzte und Tote ausgegraben und bist dann fünf Tage später wieder Richtung Gipfel aufgebrochen.
Basti: Das hört sich krass an, ist aber für mich die beste Art, damit umzugehen. So kann ich besser mit dem Erlebnis umgehen und es verarbeiten. Ich habe allerdings auch schon Erfahrungen mit dem Tod gemacht. 2005 haben wir einen Bergsteiger aus einer Höhe von 7200 m geborgen, aber er ist leider im Hochlager gestorben, 2006 ist mein Bruder in Chamonix abgestürzt, der immer ein großes Vorbild für mich war. 2009 ist ein guter Freund von mir beim Klettern tödlich verunglückt. Zusätzlich habe ich bereits einige Leichen am Berg gesehen und als Tierarzt beschäftige ich mich natürlich auch oft mit dem Tod bzw. toten Körpern. Heißt, ich habe mich schon viel mit dem Thema beschäftigt und halte es mir immer wieder vor Augen. Das Sterben ist eine Möglichkeit an so großen Bergen und ich habe es für mich akzeptiert. In diesem Fall allerdings konnte ich sogar Menschen helfen zu überleben. Moralisch hatte ich keine Probleme eine knappe Woche später Richtung Gipfel aufzubrechen.

PG: Du musstest dann kurz vor dem Gipfel umdrehen, warum und willst du jetzt nochmals dort hin?
Basti: Leider haben mir die letzten hundert Höhenmeter gefehlt. Beni hatte es schon zum Gipfel geschafft und kam schon wieder zurück zu mir. Ich hatte schon einmal den Fehler gemacht zu weit aufzusteigen und dann keine Kraft mehr für den Abstieg zu haben. Daraus habe ich gelernt! Klar, im Nachhinein hätte ich noch Zeit gehabt, eine Pause zu machen und dann weiter zu gehen. Aber ich bin sehr froh, dass Beni oben war und wir alle wieder heil hinunter gekommen sind. Ob ich nochmals hin will? Mmmh, im Moment nicht.

PG: Letzte Frage, benutzt du einen Lawinenairbag?
Basti: In den Alpen, ja fast immer! Finde sich super sinnvoll! Allerdings nicht in hohen Bergen, da ist er einfach zu schwer.)

PG: Was sind die nächsten Ziele?
Basti: Viele! Aber vielleicht 2013 auf den Cho Oyu wie es eigentlich für dieses Jahr geplant war. Aber es ist noch nichts sicher...

PG: Vielen Dank, für deine Zeit! Wir wünschen dir viele erfolgreiche Touren.

Steckbrief

Name:                                    Sebastian Haag
Geboren:                               23. Mai 1978 in München
Beruf:                                     Skibergsteiger / Tierarzt (Dr. vet.)
Speedbegehungen:            Mustagata, Gasherbrum II …

Anmerkung der Redaktion (September 2014)

Basti Haag ist bei einem Weltrekordversuch im Himalaya am 24.9.2014 von einer Lawine mitgerissen worden und tödlich abgestürzt. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Freunden.  

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