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Materialtests

Materialtest | La Sportiva Spectre

Der superleichte Vierschnaller im Praxistest

von Bernhard Scholz • 21.04.2015
Mit dem Spectre hat La Sportiva vor zwei Jahren einen Skitourenschuh auf den Markt gebracht, welcher sich im Aufstieg fast wie ein Skitourenrennschuh und in der Abfahrt fast wie ein Alpinschuh anfĂĽhlen soll. Das Ganze nicht nur mit bei einem Gewicht von unter 3 Pfund, sondern auch gespickt mit innovativen Details.

Mit dem Spectre hat La Sportiva vor zwei Jahren einen Skitourenschuh auf den Markt gebracht, welcher sich im Aufstieg fast wie ein Skitourenrennschuh und in der Abfahrt fast wie ein Alpinschuh anfĂĽhlen soll. Das Ganze nicht nur mit bei einem Gewicht von unter 3 Pfund, sondern auch gespickt mit innovativen Details.

Zum Tester

Ich bin männlich, 36, morgens zwickt es schon mal in der Hüfte und den Knien. Ich bin 178 cm, bei 70 kg mit Equipment. Mein skifahrerisches Level empfinde ich persönlich als ordentlich. Bis vor ca. 10 Jahren gelegentlich Freeride-Wettbewerbe, davor etwas Renntraining. Kondition für lange Aufstiege ist vorhanden. Komme überall (wirklich) runter, im Fall der Fälle mit Seil und Haken. In den letzten Jahren nur je 20-30 Skitage pro Saison, früher ein vielfaches davon. Ich lege großen Wert auf verlässliche Ausrüstung und bin dafür auch gerne bereit das ein oder andere Gramm mehr zu tragen, schließlich bin ich nicht auf einer Everest-Expedition und Speedskitouring finde ich nur sehr begrenzt amüsant.

Mein bevorzugtes Terrain sind Aufstiege in abwechslungsreichem Terrain, die ruhig auch etwas länger sein dürfen. Abwärts komme ich mit eigentlich jedem Gelände gut zurecht und kann eigentlich jedem Aspekt der Berge und des Wetters etwas schönes abgewinnen. Steile Rinnen und kupiertes, abwechslungsreiches und licht bewaldetes Disneyland im Pulverschnee gehören aber definitiv zu meinen Lieblingsspielplätzen. In Rinnen ist mir logischerweise Kontrolle wichtig, im Disneyland lasse ich dafür sehr gerne das Gas mal stehen. Große weite Hänge langweilen mich eher.

Testbedingungen

Insgesamt hatte ich den Schuh jetzt etwa 20 Tage lang an. Der Schnee variierte dabei von schön weichem Pulver über eisharte Windgangeln bis hin zu unschönem Knochenbrechersulz. Der gelegentliche Bootpack war genau wie die normalen Tourenaufstiege dabei. Vereinzelt hatte ich den Schuh auch bei ganz normalen Skigebietstagen an, wenn die Möglichkeit bestand einen längeren Aufstieg aus dem Gebiet heraus zu machen.

Erster Eindruck

Die Spectre passen mir gut, selbst ohne Anpassung. Mit Anpassen sitzen sie dann wie angegossen. Das ist natürlich sehr individuell, andere Schuhe, die mir passen gibt es wenige. Meine Ferse ist relativ schmal, der Vorderfuß ist eher breit. Eine ausgeprägte Fehlstellung habe ich nicht. Beim Joggen laufe ich auf dem Vorderfuß.

Als erstes fällt auf, dass der Gehmodus erstaunlich gut funktioniert, der Bewegungsradius ist wirklich enorm: Es werden 60° angegeben, was ich uneingeschränkt bestätigen kann, der Spectre fühlt sich beim Aufstieg wie ein Turnschuh an.

Es ist ein 4-schnalliger Schuh und dafür ist er äußerst leicht. Meiner wiegt exakt so viel wie vom Hersteller angegeben: 1445 Gramm (Größe 27.5). Die Schale ist eine Mischung aus Grilamid®, Pebax®, Marfram® und Carbonverstärkungen am Schaft, was auch immer das heißen mag. Daher: Er fühlt sich auch vom Gewicht her an wie ein Turnschuh.

Die neuartigen Schnallen, bei La Sportiva nennt man sie Pegasus Schnallen, sind sehr schön eng anliegend, richtig leicht und machen einen stabilen Eindruck. Bislang ist nichts abgerissen oder macht den Anschein dies in näherer Zukunft zu tun. Definitiv bereichernd. Es dauert ein paar Versuche, bis man sie richtig bedienen kann, aber es geht dann doch recht schnell bis man sich an sie gewöhnt hat.

Der Umschaltmechanismus zwischen Geh- und Abfahrtsmodus funktioniert gut und ist so zu bedienen, wie man es von Tourenschuhen gewohnt ist. Einmalig hatte ich ein Problem mit dem Umstellen, dazu aber später mehr…

Der Innenschuh ist ein thermoformbarer Schuh mit verschiedenen Materialkombinationen. Eine Art Gehfalte ermöglicht besseren Gehkomfort. Der Innenschuh hat eine normale Zunge, also keinen sich selbst überlappenden Schaft. Das ist praktisch und hat mich weder sonderlich gefreut oder gestört.

Testeindruck

So stelle ich mir einen Tourenschuh vor, mit dem man auch alpinistische Ziele ansteuert! Mich hat der Schuh von Anfang an interessiert, da mir das Gewicht und die große Schaftrotation ins Auge gesprungen sind, obwohl er in der Kategorie „Freeride" steht.

Aufstieg

Für guten Halt beim Gehen und Klettern wird eine originale Vibram Sohle verwendet

Gleich zu Anfang fiel mir auf, dass der Gehkomfort ĂĽberragend ist. Ă„hnliches hatte ich bisher nur bei Schuhen wie dem Dynafit TLT6. Die spielen jedoch bei der Abfahrt in einer tieferen Liga...

Klettern ist mit dem Schuh ebenfalls gut machbar, die Einschränkungen durch den Schuh sind minimal. Wenn man die Schnallen öffnet, kann man sich sehr frei bewegen und hat weiterhin seitlich hervorragenden Halt. Als Schuh für alpinistische Unternehmungen also eine absolute Empfehlung.

Dies trifft auf die Schnallen noch in einer weiteren Form zu. Sie sind so schmal und eng anliegend, dass sie bei mir nie irgendwo hängen geblieben sind. Man lässt sie zum Hochgehen einfach offen am Schuh eingeklippt. Dabei hat man nach wie vor die herausragende Bewegungsfreiheit. Nichts klappert, nichts baumelt herum.

Mit Tourenski an den Füßen, natürlich am besten mit einer Techbindung damit sich der Gewichtsvorteil auch wirklich bemerkbar macht, gleitet es sich wunderbar. Gerade flache Passagen gehen locker von der Hand (bzw. vom Fuß), man kann den Ski richtig schön nach vorne schieben. Das ist sehr angenehm und spart ganz nebenbei auch Kraft. Mit einem Fell, das gut gleitet kann, merkt man hierbei echte Vorteile gegenüber den Kunsthaarteppichen. Wird es steiler, braucht man bei anderen Schuhen deutlich früher eine Steighilfe. Der Bewegungsspielraum hilft auch hier Kraft zu sparen.

Blasen habe ich mit dem Schuh beim Gehen keine bekommen, doch das ist natürlich von der Passform abhängig. Was jedoch auffällt ist, dass der Rist recht eng geschnitten ist. Das fällt auch beim Gehen leicht auf, die für mich gute Passform resultiert auch daraus. Bei anderen Fußformen kann es natürlich sein, dass gerade der enge Rist zu Problemen führt. Mit einer aufgeheizten Getränkedose kann man dem aber laut Internetanleitung recht fix Herr werden...

Abfahrt
Eigentlich interessant ist bei solchen Schuhen natürlich die Abfahrtsleistung. Auch hier vorab: Funktioniert. Man kann gut Druck geben, seitlicher Halt ist so hart wie von Alpinschuhen gewohnt, die Carbonverstärkungen merkt man hier positiv. Auch nach Hinten ist der Halt bombenfest. Der Schaft schließt recht hoch ab, was bei meinen hohen, dürren Wadeln gut ist. Waden, die tief ansetzen, also eher die Oktoberfestvorzeigewadeln, könnten schon fast ein wenig zu sehr eingespannt werden. Es kommt natürlich auch darauf an, in welcher Einstellung man die Schnallen anbringt. Was auffällt ist, dass der Schuh seine Härte nach Vorne hauptsächlich über die Schnallen erhält. Je fester man zuknallt, desto härter wird er. Wenn zu viel Schnallendruck gegeben wird, kann dies zu vereinzelten Druckstellen führen, das kannte ich so von anderen Schuhen noch nicht. Insofern muss man sich an den Schuh hinsichtlich der Härte, mit dem man ihn zuschnallt, gewöhnen, muss seine persönliche Einstellung finden.

Schalter zum umstellen zwischen Ski- und Gehmodus, auch die Schaftverstärkung ist gut erkennbar

Die vorderste Schnalle könnte man wohl getrost entfernen, ich hatte nie das Gefühl, dass diese tatsächlich etwas ausrichtet, ganz im Gegensatz zu den oberen drei.

Durch die vielen Einstellungsmöglichkeiten (Canting, Vorlage, Schnallen, Spoiler) benötigt man etwas Zeit um sich so richtig an den Schuh zu gewöhnen. Hat man jedoch seine Einstellung gefunden, passt und funktioniert er im Abfahrtsmodus ebenso gut wie im Aufstiegsmodus.

Den Schuh habe ich mit meinem Tourenski (Down 102) und meinem Daily Driver (4frnt Hoji 195) verwendet. Beide mit Techbindungen. Mit beiden kommt der Schuh problemlos zurecht, auch bei harten Bedingungen. Lediglich bei sehr hohen Geschwindigkeiten wirkt er dann doch ein wenig zu weich was die Vorlage betrifft. Bei weichen Bedingungen kann man ihn dagegen auch gut weich einstellen und Vollgas fahren. Abhilfe würde, wie beschrieben, härteres Schließen der Schnallen bieten – doch dann würde mir der Schuh unbequem. Da der Schuh aber so schön bequem ist, mache ich ihn nicht enger zu und fahre dafür ein etwas weniger schnell wenn es hart ist.

Umstellung auf den Skimodus: Im Prinzip hat das Umstellen immer gut funktioniert. Einmal, während einer Tour bei der es sehr kalt war, konnte ich einen der beiden Schuhe nicht mehr in die Abfahrtsposition stellen. Ob es an mangelnder Koordination meinerseits aufgrund der Kälte lag, (es hatte gut und gerne  minus 30° Grad C) oder, ob irgendetwas eingefroren war, kann ich nachträglich nicht sagen. Das Problem konnte ich auch nicht reproduzieren, es war jedoch auch bei keiner Tour mehr so kalt. Wo wir gerade bei Kälte sind: kalte Füße hatte ich damit nie, habe ich aber auch sonst selten.

Es macht Spaß mit dem Schuh zu fahren – mit ein wenig Gewöhnung fällt der Schuh kaum auf. Das empfinde ich als ideal, vor allem auch, da es meiner recht zentralen Standposition entgegen kommt.

Fazit

Hervorragender Schuh für Touren mit alpinistischem Charakter (und natürlich für alles andere was nicht die ultimative Bewegungsfreiheit und Härte erfordert).

Vor - & Nachteile

+ Hart genug im Abfahrtsmodus auch fĂĽr breite Ski
+ Leicht
+ Hervorragender Bewegungsspielraum im Gehmodus
+ Eng anliegende Schnallen bleiben nirgends hängen und klappern nicht
+ Zahlreiche Einstellungsmöglichkeiten
+ Passen gut mit Petzl und Black Diamond Steigeisen
+ Anzeigemarkierungen fĂĽr Pinbindungen
+ schlichtes Design
- Passform am Rist für viele Fahrer möglicherweise zu eng
- Techinserts von Dynafit wären einen Tick einfacher zu verwenden
- 4. Schnalle ganz unten eher ĂĽberflĂĽssig
- Abrieb am Powerstrap, Ursache ist mir unbekannt, komischerweise auf beiden Seiten
- Bei den vielen Einstellungsmöglichkeiten kann man schon mal durcheinander kommen, das Rennwagenprinzip bewährt sich (Eine Einstellung ändern, testen, bewerten, repeat)

Details

UVP: 479,95 Euro
Gewicht: 1445 Gramm
Schaftrotation: 60°
Material: Grilamid®, Pebax®, Marfram®, Carbonverstärkungen
Sohle: Virbram
Schnallen: 4 + Powerstrap
Innenschuh: Thermoformbarer Innenschuh
Flex: Angegeben mit 110, wĂĽrde ihn als brauchbar hart einstufen, ist aber kein Alpinschuh
Schaftneigungswinkel: Einstellbar zwischen 10°, 14° und 18°
Canting: Einstellbar
Bindungskompatibilität: Tourenbindung, Techinserts (keine original Dynafit)

Hier gehts zur Website von La Sportiva mit weiteren Informationen, hier könnt ihr den Schuh bei unserem Partnershop bestellen.

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