Das Skigebiet Les Portes du Soleil ist das weltgrößte, zusammenhängende Lift-erschlossene Gebiet. Und da ein Teil der Anlagen sowieso für Wanderer im Sommer in Betrieb ist, versuchen viele Bergbahnen ihr Sommergeschäft zu verbessern: mit Hilfe der Mountainbiker. Für Freerider, die flexibel sind und ihr Gleitsportgerät gegen ein Roll-Gerät tauschen, sind die Bedingungen exzellent. Höhenmeter-Rausch beim Downhill – und das Ganze zum Schnäppchenpreis!
Was macht der geplagte Powder-Süchtige im heißen Sommer? Neben Schwitzen in stickigen Bürogebäuden oder verstaubten Bibliotheken bietet sich die Flucht nach vorne an. Also das Bike ins Auto geschmissen und ab in die Alpen. Genauer gesagt nach Portes du Soleil.
Die nackten Zahlen lesen sich im Vergleich zum Winter nicht sonderlich berauschend. Was sind in Zeiten der Mega-Resorts schon 24 Lifte und 15 angelegte Downhill-Strecken, ein gut ausgeschildertes Wegenetz sowie herausfordernde Bergwanderwege? Immerhin das größte mit Liften erschlossene Areal Europas im Sommer. Der Preis der Tageskarten von 16.-/ 64.- Euro je Tag/Woche klingt ebenso interessant.
Nach einer entspannten Anfahrt mit einem kleinen Zwischenstopp in Bern um die Mitfahrer aufzusammeln gings morgens von Champery schnell bergauf. Ziel unserer Downhill-Tour war Les Gets. Ein erstes Einrutschen im Matsch auf der frisch angelegten Strecke hinunter nach Les Crosets gestaltete sich etwas gewöhnungsbedürftig. Weiter vom Pointe des Mossettes führte uns ein flowiger Singeltrail am Lac de Chesery vorbei Richtung Avoriaz. Da der Anblick auf die Retortenstadt nicht unseren Ansprüchen eines Bergdorfes entspricht, folgten wir der ausgeschriebenen Tour mit kleinen Anstiegen Richtung Morzine. Gelangweilt von den beschilderten Forstwegen, entschlossen wir uns dazu von diesen Abstand zu nehmen und uns an die Bergwanderwege zu halten. Gute Entscheidung!
Auf einem steilem und engen Waldweg
der ganz nach dem Geschmack der Schweizer Mitfahrer war, gings zügig nach Morzine hinunter. Die mit sündteuren Bikes besetzten zahlreichen Cafes beantworteten auch unsere Frage nach dem Grund für die bislang extrem leeren Strecken. Die hauptsächlich englische Schickeria zieht es wohl vor, die nagelneuen Technikwunder in Ganzkörperpanzerung aus den Cafes zu bewundern, anstatt diese zu nutzen. Kann uns nur recht sein.
Über die eiförmige Gondel Pleney erreichten wir unser Ziel der heutigen Tour: Les Gets. Die dortigen Strecken sind sehr gut ausgebaut, mit reichlich kleineren und mittleren Sprüngen gespickt und für jedermann relativ leicht zu befahren. Das schöne Fahrgefühl trübten nur die vielen Bremswellen und der geschlossene obere Lift. Ein bisschen mehr Pflege würde den Strecken durchaus gut stehen. Da die Zeit schon sehr fortgeschritten war, blieb uns leider keine Zeit für eine Mittagspause und wir traten direkt wieder den Rückweg an. Kurz vor Les Crosets am Pointe des Mossettes fanden wir dann unsere Lieblingsstrecke: La Grande Conche – eine alpine Downhill-Strecke mit etwa 600 Höhenmeter. Im oberen Abschnitt sehr steinig und leicht ausgesetzt, im unteren Teil geht?s flowig und flacher über saftige Almwiesen, die mit schönen Sprüngen und Vollgas-Steilkurven garniert sind. Vor der letzten Abfahrt nach Champery hinunter nahmen uns noch ein paar nette lokale Rider kurzerhand zu einer Fahrt auf einem von ihnen angelegten geheimen Singletrail hinunter. Dass sich die Feuchtigkeit im steilen Wald des Worldcup-Downhills etwas länger gehalten hatte machte diesen Trail mit vielen steilen Spitzkehren und quer liegenden Wurzelteppichen nicht gerade leichter. Das anschließende Feierabendbier mit einem kurzen erfrischenden Bad im Bergbach hatten wir uns nach etwa 6000 Höhenmeter Downhill mit diesen extrem fordernen Abschluss redlich verdient.
Eine weitere Downhill-Rundtour
mit massig Höhenmetern war am zweiten Tag über Chatel und Morgins geplant. Wieder gings von Champery über Les Crosets Richtung Avoriaz. Diesmal entschieden wir uns für eine Mischung aus dem ausgeschriebenen Forstweg und einigen Freeride-Einlagen auf den angelegten Skipisten. Über Les Lindarets und den Lift Chaux Fleurie wollten wir uns ein wenig im Bikepark Chatel – Pres La Joux austoben. Neben einem mittelschweren Downhill und einem alpinen Slopestyle Parcour im oberen Teil bietet der weiter unten liegende Sessellift Pierre Longue 8 verschiedene Strecken an. Neben einer North Shore-Sektion und 3 leichten Pisten sind im steilen Wald etwa 5 Strecken mit hohem Schwierigkeitsgrad fahrbar. Wobei die Beschreibung "fahrbar" aus unserer Sicht nur bedingt gilt. Wie man Teile dieser extrem steilen Strecken mit weiten Sprüngen und Drops im dichten Wald flüssig fahren soll, wird uns wohl ein Rätsel bleiben. Den Spuren nach zu urteilen scheint dies zumindest theoretisch möglich zu sein.
Leider schlug nach 2 Runden der Fehlerteufel zu und wir mussten einen Bikeshop aufsuchen, der die lockeren Speichen wieder in Ordnung brachte. Anscheinend wird in Chatel aber trotz super Strecken und viel Werbung nicht sehr viel Wert auf Biker gelegt. Um einen fähigen Shop zu finden mussten wir zunächst das ganze Dorf durchsuchen. Fündig wurden wir erst etwa 200 Höhenmeter weiter unten im Tal.
Die Weiterfahrt wurde schließlich zusätzlich durch die schlechte Busverbindung und einen etwas unfähigen Liftangestellten verzögert. Nach einem kurzen Zwischenanstieg am Pass bei Le Corbeau ging es einen weiteren schönen Singletrail mit Blick auf den Genfer See und gleichzeitig zum Mont Blanc hinunter nach Morgins. Über den Sessellift La Feuilleuse hieß es noch einmal kräftig in die Pedale treten, um den letzten Verbindungslift in Champoussin zu erwischen. Zu unserer Verwunderung trafen wir an der Liftstation außer ein paar uninteressiert blickenden Kühe niemanden an, obwohl wir gut 10 Minuten vor Liftschluss ankamen. Schweizer Gelassenheit in Verbindung mit französischem savoir vivre fanden wir in unserer Lage nicht sonderlich witzig. 300 Höhenmeter uphill sind zwar super für die Kondition, wippende 19-Kilo-Bikes und den ständigen Blick auf die eigentlich geplante Aufstieghilfe trüben aber doch den Spaß an der Qual. Dass abends die vergeudeten Kalorien wieder mit kühlem Gerstensaft aufgefüllt werden versteht sich von selbst. Eine ordentliche Portion hausgemachter "Original Obwaldner Älplermakronen" rundeten die notwendige Kalorienzufuhr schließlich hervorragend ab.
Die Perlen der erkundeten Strecken
galt es nun an Tag drei und vier heraus zu picken. Da wir technisch schwierige Strecken und Bergwanderwege am liebsten fahren, sahen wir von einer weiteren Tour nach Les Gets ab. Vielmehr versuchten wir zwischen Avoriaz, Pre La Joux, Les Crosets und der Worldcup-Downhill-Strecke in Champery die schwierigsten und interessantesten Strecken zu befahren. Besonders der WC-Downhill erforderte unseren ganzen Mut. Oftmals drohte Absturzgefahr und Steilstücke mit bis zu 45° über mehrere Meter endeten in engen Spitzkehren. Die Bestzeit der Downhill-Profis haben wir vermutlich nicht ganz erreicht, waren aber dennoch froh diese Strecke halbwegs sturzfrei überlebt zu haben. Die Bergwanderwege vom Pointe des Mosettes Richtung Les Lindarets waren trotz vieler verblockter Passagen schon wesentlich entspannter.
Wegen einer aufkommenden Schlechtwetterfront musste der Trip nach Tag 4 leider vorzeitig beendet werden. Die schöne Landschaft und die bikefreundliche Einstellung der Bergbahnen sind aber Grund genug um die Region Portes du Soleil mindestens ein weiteres Mal zu besuchen.
Infos zum Bike-Revier Portes du Soleil
Tagespass: 16.- Euro
Wochenkarte: 64.- Euro