Diesmal: Avalanche Forecasting (Session 11)
In dieser Session geht es um die Vorhersage der Lawinensituation im operationellen Betrieb. Die Beiträge lassen sich grob in folgende thematische Untergruppen gliedern:
- Datenbasierte Ansätze zum Schärfen von Definitionen.
- Lokale vs. regionale Lawinenvorhersage und das ĂśberbrĂĽcken dieses Skalenunterschieds
- Moderne technische Hilfsmittel fĂĽr die Warndienste
Wie ĂĽblich gehen wir der Reihe nach durch und fassen die Abstracts kurz zusammen.
Datenbasierte Ansätze zum Schärfen schwammiger Definitionen, typische und untypische Muster
Als skifahrende Nutzer von Lawinenwarnungen bzw. -vorhersagen sind wir die im Alpenraum üblichen, regionalen Lawinenlageberichte gewöhnt, die uns einen Überblick über die Situation in der Region – sei es ein Bundesland oder eine Gebirgsgruppe – geben. Als Wintersportler wissen wir natürlich, dass sich die Schneebedingungen oft kleinräumig stark unterscheiden und dass es daher häufig nicht so einfach ist, etwas allgemeingültiges über eine ganze Region zu sagen, auch wenn man nur dem Kumpel erzählen will, wie der Schnee momentan so ist. Die Warndienste müssen aber genau das tagtäglich tun. Für größtmögliche Konsistenz sorgen dabei die bekannte Gefahrenstufenskala, die Lawinenprobleme, und diverse weitere Formalismen, die sicher zu stellen, dass alle weitgehend vom gleichen reden und das gleiche verstehen. Andererseits lässt sich weder die Subjektivität der menschlichen Lawinenwarner/innen, noch jene der Nutzer/innen je völlig ausschalten. Die Gefahrenstufen der fünfteiligen europäischen Skala sind zwar anhand von Auslösewahrscheinlichkeit, Lawinengröße und Verbreitung von Gefahrenstellen definiert, aber bekanntlich bieten Wortwendungen wie „möglich“ und „wahrscheinlich“ durchaus Interpretationsspielraum.
Ein SLF Team analysiert, bei welcher Gefahrenstufe wie viele Lawinen abgehen und wie groß sie sind, um Wörter wie "möglich" und "wahrscheinlich" besser zu quantifizieren. Die Häufigkeit von Spontanauslösungen nimmt mit der Gefahrenstufe stark zu (nicht-linear). Interessant erscheint vor allem, dass sich die Lawinengröße mit der Gefahrenstufe im Datensatz der Schweizer kaum ändert. Eine höhere Gefahrenstufe bedeutet mehr Lawinen, nicht unbedingt größere ( Quantifying the obvious: The avalanche danger level, Schweizer et al.). Anders sieht das aber offenbar in Colorado aus: Hier stellt man tendenziell eine Zunahme der Lawinengröße mit der Gefahrenstufe fest. Auch ist der Anstieg der Anzahl an beobachteten Lawinen mit der Gefahrenstufe mehr oder weniger linear. Die amerikanische Gefahrenstufenskala unterscheidet sich leicht von der europäischen, aber es ist nicht klar, ob die Unterschiede dadurch begründet sind (Patterns in avalanche events and regional scale avalanche forecasts in Colorado, USA, Logan and Greene).
Wenn es viel schneit, gehen irgendwann Lawinen ab. Und im Frühjahr hängt das Timing von Nassschneelawinen mit dem Tagesgang der Temperatur zusammen. So weit, so offensichtlich. Diesen Zusammenhang datenbasiert zu quantifizieren und die zeitliche Abhängigkeit von Abgang und Wetterereignis näher zu definieren, ist dann aber schon wieder gar nicht so einfach. Eine weitere SLF Studie erläutert, dass Informationen von zunehmend verfügbaren, automatischen Lawinendetektionssystemen (Radar, Seismik) dabei helfen können, entsprechende Muster zu erkennen. Vor allem, weil sie mehr Abgänge bemerken, als menschliche Beobachter, die auf gute Sichtverhältnisse angewiesen sind. Nach einem Niederschlagsereignis kann es bis zu mehrere Tagen dauern, bis kausal mit dem Niederschlag zusammenhängende Lawinen abgehen. Bei Energieeintrag im Frühjahr und Nassschneelawinen dauert das meist nur einige Stunden. Je besser die Datengrundlage, desto besser erkennt man auch solche Muster und desto besser lassen sie sich in die Lawinenvorhersage integrieren (When do avalanches release: Investigating time scales in avalanche formation, van Herwijnen et al.).