Voller Ungeduld fieberte ich den Semesterferien entgegen. Nicht nur, weil man dann etwas mehr Zeit hat, sondern vor allem, weil es fĂĽr mich dann wieder hieĂź: Auf nach Ă–sterreich!
Nach der wirklich tollen risk’n’fun-Session im Dezember, fuhr ich Ende Februar zum sog. Next Level ans Kitzsteinhorn nach Kaprun. Dort wohnten wir mitten im Skigebiet, somit hatten wir morgens etwas mehr Zeit und waren dennoch immer die ersten drauĂźen im Schnee. Am Anreisetag ging es nach einer Vorstellungsrunde dann auch gleich los: und dabei wurde all das Wissen aus der ersten Session wieder aufgefrischt.Â
Erster Geländecheck
Am nächsten Morgen wurden wir von allerschönstem Wetter begrĂĽĂźt. Der Nebel vom Vortag war verschwunden und man konnte gleich morgens das Kitzsteinhorn in seiner vollen Pracht bewundern. Nach dem LVS-Check und der Analyse des Lawinenlageberichts ging es los. Wir fuhren nicht lange auf der Piste herum, sondern starteten gleich ins Gelände. Einfahren kann man sich auch dort … Es ging jetzt erst einmal darum Gelerntes aus der Trainings-Session zu wiederholen und anzuwenden. Wie befahre ich einen Hang mit möglichst geringem Risiko und viel SpaĂź? Einzeln oder alle auf einmal? Und wo sind die Geländefallen und riskanten Hangbereiche? Das Abendprogramm hatte es auch noch einmal in sich: es ging um Kartenkunde und Tourenplanung. Am Nachmittag hatten wir bereits, mit sehr gemischten Ergebnissen, versucht, unseren Standort anhand der topografischen Karte möglichst exakt zu bestimmen und die umliegenden Berge zu benennen. Das Ganze erwies sich dann doch als ziemlich schwierig, und wir kamen zu ĂĽberraschenden und widersprĂĽchlichen Ergebnissen. Daher kam die Theorieeinheit ĂĽber Kartenkunde und Kartenlesen am Abend zur rechten Zeit… Wie interpretiere ich die Höhenliniendarstellungen auf der Karte richtig, um das geeignete vom gefährlichen Gelände im Voraus unterscheiden zu können? Und wie erkenne ich extremes Gelände, in dem Absturzgefahr besteht? Auch wenn ich die Theorie verstanden habe, braucht es doch sicherlich noch viele Stunden Ăśbung, bis ich mich mit der Karte sicher im Gelände zu recht finde. So viel Zeit blieb uns dann natĂĽrlich nicht in der Woche, – aber ich werde mich in Zukunft mehr mit topografischen Karten auseinandersetzen.Â
Wahrnehmen – beurteilen – entscheiden: bei widrigen Bedingungen und Powder ohne Ende
Am nächsten Morgen habe ich mich leider 50 Jahre älter gefĂĽhlt. Ich merkte die ungewohnte Höhenluft: Mein Mund war total trocken und die Kopfschmerzen kamen sicherlich nicht von dem einen Bier am Vorabend … Doch schon nach dem FrĂĽhstĂĽck war die Welt wieder einigermaĂźen in Ordnung. Fit zu sein, war fĂĽr diesen Tag wirklich wichtig, denn wir hatten einige Zentimeter Neuschnee ĂĽber Nacht bekommen und es schneite munter weiter… Das Kitzsteinhorn war mal wieder hinter dicken Wolken verschwunden, die Sicht ziemlich schlecht – und die Lawinenwarnstufe von 2 auf 3 angestiegen, wir hielten uns also im schon bekanntem, flachen Gelände auf. Die Orientierung zu behalten war fĂĽr mich trotzdem gar nicht einfach, schlieĂźlich hat man eigentlich noch nicht einmal gesehen, wo es hoch und wo es runter geht. Auch Steine sah man oft erst, wenn es schon zu spät war. Im Next Level soll es vor allem darum gehen, eigenständig als Gruppe Abfahrten und kleinere Touren zu planen und durchzufĂĽhren. Der BergfĂĽhrer und der Guide von risk’n’fun sollen eigentlich nur bei Fragen zur Seite stehen und im Notfall eingreifen. Vom Ziel, uns mit geringem Risiko selbstständig im alpinen Gelände zu bewegen, waren wir an diesem Tag aber noch weit entfernt. Als mir die Aufgabe aufgetragen wurde, die Gruppe eine Skiroute runter zu fĂĽhren, habe ich mich damit im ersten Moment nicht sehr wohl gefĂĽhlt. Irgendwie habe ich es auch geschafft von der Skiroute abzukommen und eine andere Route weiter zu fahren. Das war nicht schlimm, denn beide Routen endeten am selben Ort, aber ich war schon erschrocken, wie schwer es ist, sich bei so schlechter Sicht zu orientieren. Ich war wirklich froh, als wir alle heil unten angekommen waren.Â
Achtung Lawinenabgang!
Am Nachmittag machten wir dann noch eine Lawinenrettungsübung in kleinen Gruppen. Wir wussten zwar eigentlich, was auf uns zukommen würde, doch trotzdem merkt man selbst in solchen (Übungs-)Situationen, dass man sich auf den Ernstfall nicht komplett vorbereiten kann. Und es ist so wichtig, einen klaren Kopf zu bewahren: In unserem Fall wartete allerdings auch ein (fiktives) Worst-Case-Szenario auf uns: mit drei Verschütteten und zwei verwirrten Beteiligten, die nicht in der Lage waren ihr LVS-Gerät selbstständig auszuschalten und dann auch noch wie wild mit den Sonden umherstocherten. Für Außenstehende muss das ganze Spektakel eher lustig ausgesehen haben. Meine Aufgabe war es, die Verschütteten (in unserem Fall waren es Rucksäcke, die mit einem LVS-Gerät ausgestattet waren) mit der Sonde zu lokalisieren und mit der Lawinenschaufel auszugraben. Letzteres war bei dem Schnee und der Verschüttungstiefe glücklicherweise kein Problem. Schwieriger erwies sich das Suchen mit dem LVS-Gerät. Oft verschwand der Richtungspfeil oder zeigte plötzlich in eine komplett andere Richtung. Dadurch dauerte es lange acht Minuten, bis der letzte Rucksack gefunden war. Und obwohl das ganze ja nur eine Simulation war, wurde die Stimmung von Minute zu Minute angespannter. Kaum vorstellbar wie es sein muss, wenn du deine Freunde suchst und nicht bloß einen Rucksack.
Es folgte noch eine weitere eindrucksvolle Ăśbung, in der es darum ging, das GefĂĽhl in eine Lawine zu geraten, zu simulieren. Benötigt wurde ein Freiwilliger, der das Opfer spielen sollte. Der Rest stellte sich in zwei parallelen Reihen auf, häufte möglichst viel Schnee vor sich auf und bewaffnete sich mit einer Schaufel. Nun konnte es losgehen, das Opfer fuhr langsam in das Spalier ein und wir begannen wie wild zu schaufeln, am besten direkt ins Gesicht. Meist war es schon nicht mehr nötig, den Fahrer umzuwerfen. Falls er sich aber doch bis ans Ende unserer Schaufelreihe kämpfte, war es ein Leichtes, ihn durch ein sanftes Antippen zu Fall zu bringen. Zu guter Letzt schmissen wir uns dann noch alle auf unser mutiges „Opfer“. Ich kann zwar nicht von eigenen Erfahrungen sprechen, doch die vier Mutigen, die in unserer Gruppe unter der „Lawine“ begraben wurden waren sich einig: Das ist ein absolut beschissenes GefĂĽhl. Vor allem der ganze Schnee im Gesicht, der das Atmen extrem schwierig macht, lässt einen schnell in Panik geraten.Â
Es geht bergauf
Der nächste Tag sollte von uns dann komplett selbstständig geplant werden. Der Lawinenlagebericht warnte vor einer erheblichen Lawinengefahr, was die Situation fĂĽr uns nicht leichter machte. Es fiel uns relativ schwer Entscheidungen in der Gruppe zu treffen. Erschweren kam hinzu, dass wir uns noch nicht so lange und gut kannten, – und wann ist man schon einmal mit 10 Leuten im Gelände unterwegs? Nach längerer Ăśberlegephase nutzten wir dann aber noch den vielen Powder fĂĽr einige Abfahrten in Pistennähe und fuhren dann etwas weiter aus dem Skigebiet heraus, um uns an einen ersten kleinen Aufstieg mit Hilfe der TourenausrĂĽstung zu wagen. SchlieĂźlich wollten wir die ja auch nicht immer umsonst mitschleppen.
Am Abend war schauspielerisches Talent gefragt: wir mimten diese Mal eine Pressekonferenz über das Thema „Ausbilden oder bestrafen? – Wie ist mit der ansteigenden Zahl von Freeridern umzugehen?“ Beteiligt waren verschiedenste Personen, die auf unterschiedlichste Weise mit Freeridern in Berührung kommen oder selbst als solche unterwegs sind. Spannend fand ich vor allem, dass es das erste Mal auch um die Auswirkungen auf die Natur ging. Es war für mich sehr interessant etwas mehr über die Rechtslage zu erfahren: Inwieweit das Auslösen einer Lawine auch strafrechtliche Probleme mit sich bringen kann, war mir bislang noch nicht klar.
The Final Countdown
Und viel zu schnell war dann auch schon der letzte Tag gekommen. Wir hatten uns überlegt an diesem Tag noch einmal eine etwas größere Tour mit längerem Aufstieg zu unternehmen – und wir hatten Glück und das Wetter spielte mit. Dieses Mal harmonierte unsere Gruppe auch schon viel besser. Entscheidungen konnten wir schneller treffen und jeder brachte seine Meinung ein. Das war schon mal ein riesen Fortschritt!
AuĂźerdem war jeder Mal an der Reihe die Aufstiegsspur festzulegen und zu spuren, das war in dem tiefen Schnee doch deutlich anstrengender, als es bei unserem BergfĂĽhrer aussah… Nach wenigen Metern war ich jedenfalls schon ziemlich aus der Puste und war froh, die FĂĽhrung wieder abgeben zu können. Nach drei Stunden Aufstieg war es dann Zeit wieder umzukehren. Die Sonne hatte der Schneedecke auch schon deutlich zugesetzt. AuĂźerdem mussten wir ja auch rechtzeitig wieder bei unserer Herberge sein. Also hieĂź es, Felle wieder ab von den Ski, Helm auf und ab ging’s… Die Abfahrt war ein Traum. Der Schnee war pulvrig und unberĂĽhrt und somit wurde die letzte Abfahrt mein persönlicher Höhepunkt der Woche. So endete unsere Woche am Kitzsteinhorn und die Abreise stand an. Ich habe sehr viele tolle Sachen erlebt in dieser Woche und unglaublich viel gelernt!  „Es ist erstaunlich wie schnell eine so bunte Gruppe innerhalb von einer Woche bei so einer Veranstaltung zusammen wächst. Alles sind nette Leute mit gutem Fahrkönnen und meiner Meinung nach auĂźerordentlichen sportlichen Fähigkeiten. Neben dem vielen Wissen, das man vermittelt bekommt, lernt man aber auch, seine Meinung zu möglichen Gefahren und der weiteren Planung zu äuĂźern, das ist etwas, was einem auch im Alltag weiterhilft.“ Schöner als Philip, der auch beim Next Level dabei war, kann man die Woche kaum zusammenfassen. Unsere Truppe war echt top, wir hatten viel SpaĂź und ich hoffe, alle beim Chill-Out in Fieberbrunn Ende März wiederzusehen!Â