Klima- vs. Naturschutz?
Es scheint, als wären erneuerbare Energien schlecht für unsere Natur, dabei sind sie für das Klima doch so wichtig. Sind denn einzelne Vögel, Fische oder ein bisschen verbaute Fläche wirklich wichtiger als saubere Energie?
Klimaschutz ohne Naturschutz zu denken, ist dabei die falsche Herangehensweise. Gewonnene Kilowattstunden (KWh) bringen dem Klimaschutz nichts, wenn der Nutzen für das Klima durch Verlust an Biodiversität verloren geht. Gesunde Ökosysteme, wie beispielsweise Meere, Wälder oder Moore, können einen großen Beitrag zur Senkung von Treibhausgasemissionen leisten.
Ebenso wenig funktioniert Naturschutz ohne den Klimaschutz und den Umstieg auf erneuerbare Energien. Der Weltklimarat IPCC und der Biodiversitätsrat IPBES warnen vor unwiderruflichen Folgen des Klimawandels auf Ökosysteme und dem damit einhergehenden Verlust von Arten, vor Naturkatastrophen und Extremwetterereignissen. Wenn CO2-Ausstoß und Temperaturen weiter steigen wie bisher, zieht die Natur ohnehin den Kürzeren – auch ohne Naturzerstörung durch technische Neuerschließungen.
Gemessen an gewonnenen KWh oder geretteten Individuen gefährdeter Arten wäre es für beide Disziplinen auf dem Papier erfolgsversprechender, den gegenseitigen Player außen vor zu lassen. Dabei wird das eigentliche Ziel, nämlich die Erderwärmung einzudämmen, außer Acht gelassen. Dieses kann nur dann erreicht werden, wenn Klima-, Umwelt-, Landschafts-, und Naturschutz gemeinsam gedacht werden.
Hinderlich ist dabei, dass weder Natur- noch Klimaschützer Projekte finanzieren und planen, sondern dass es Anlagenbetreiber oder energieerzeugende Firmen sind, die wirtschaftliche Ziele verfolgen. Der Klimaschutzgedanke lässt diese grün dastehen und dem Naturschutz wird der schwarze Peter als Verhinderer zugeschoben. Auch die Förderpolitik tut das ihre dazu, indem sie es einerseits für Betreiber attraktiv macht, auch an (wenig geeigneten) B-Standorten zu planen, andererseits keine ökologischen Kriterien an die Vergabe von Fördergeldern knüpft.
Was meist völlig fehlt, ist eine Diskussion über das Potential des Energiesparens. Mittels Anreizsystemen könnten einfache Maßnahmen vorangetrieben werden, die den Neubau von Anlagen gar nicht erst notwendig machen. Dieses Bewusstsein und die dazugehörigen Gesetze fehlen aber noch gänzlich. Solange das Energiesparen nicht eingefordert wird, ist auch die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen nicht nachhaltig, weil aufgrund des immer steigenden Energiebedarfs keine Anlagen zur fossilen Energieerzeugung abgedreht werden können. Doch war das nicht eigentlich der Gedanke der Energiewende?
Gibt es eine Lösung?
DIE Lösung dafür gibt es (noch) nicht. Ein wichtiger Punkt, um Konflikten im Vorhinein aus dem Weg zu gehen wäre es, Naturschutzorganisationen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in den Planungsprozess einzubinden. Das gilt einerseits für die Erarbeitung von Gesetzesgrundlagen: so wären z.B. ökologische Kriterien im EAG berücksichtigt worden oder es würden Technologien vorgeschrieben werden, die den Erhalt der Natur unterstützen, wie bspw. ein Vogelradar, Fischaufstiegshilfen, Doppelnutzung von Photovoltaik-Flächen etc.; andererseits gilt das auch für die Mitarbeit an Entwicklungskonzepten der Länder in Bezug auf die Ausweisung von Vorrang- und Verbotsflächen und an der Planung von Anlagen selber.
Klimawandel und Biodiversitätskrise stehen in engem Zusammenhang und verstärken sich gegenseitig, daher ist wahrer Klimaschutz nur jener, der auch den Artenschutz berücksichtigt. Nur durch ein Miteinander kann der Kampf gegen die Erderwärmung gelingen.
Irene Welebil ist Mitarbeiterin der Abteilung Raumplanung und Naturschutz des Österreichischen Alpenvereins und beschäftigt sich u.a. mit der kritischen Mitgestaltung der Energiewende.