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Schnee von morgen

Schnee von morgen | Wertvolles nichts

Das Konzept der Bergsteigerdörfer

von Marion Hetzenauer • 21.01.2020
In Zeiten von Klimakrise und Flugscham wird auch der Urlaub in den Bergen am einen oder anderen moralischen oder klimafreundlichen Maß geprüft. Wohlüberlegte Konzepte und Ansätze, wie sie in den Bergsteigerdörfern der Alpenvereine umgesetzt werden, haben nicht nur den Fun-Faktor für umweltbewusste Gäste, sondern auch Naturschutz und die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung im Blick.

„Sehr viel Geld zu zahlen, um dafür nichts zu bekommen, zeigt, wie knapp und wertvoll dieses Nichts geworden ist,“ (Klemmer, 2018) schreibt der Journalist Axel Klemmer 2018 im Magazin Bergsteiger. Gerade in Bezug auf die Alpen hat er gar nicht so unrecht.

Die Almen und Weiden dienen den Menschen seit Jahrtausenden als Lebensgrundlage, die unberechenbaren Wildbäche, die einst das Bild der Täler prägten, wurden gezähmt - diese eigentlich unwirtliche Welt wurde über die Jahrtausende mit unendlich viel Arbeit zu dem, was wir heute unter dem Lebensraum Alpen verstehen: ein Wirtschaftsraum, nach wie vor geprägt von Landwirtschaft, ein Naturraum mit einer ungeheuer großen und kleinräumigen Artenvielfalt und ein Erholungsraum, der das Urbedürfnis der Menschen nach der Verbindung mit der Natur und gleichzeitig als „Freizeitpark Europas“ ihre Lust nach Abenteuer, sportlichen Leistungen und Grenzerfahrungen befriedigen soll.

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Is the Sky the Limit?

Der „Fremdenverkehr“ wurde für viele Regionen in den Alpen zum wirtschaftlichen Zugpferd und gerade dort, wo keine Industrie angesiedelt oder nur extensive Landwirtschaft möglich war, eine Chance für die lokale Bevölkerung auf eigenständigen Wohlstand. Bei der Erschließung der Alpen mit dem Bau von Wegen und Schutzhütten waren auch die – oft städtisch geprägten – Alpenvereine nicht unbeteiligt: wissenschaftliches Interesse, Pioniergeist, das Messen der eigenen Kräfte an den Naturgewalten und der Ruhm von Erstbesteigungen zogen die Menschen in und auf die Berge. Das hat sich bis heute wohl nur wenig verändert – was sich aber verändert hat, ist die Position, die die Alpenvereine in den Alpen und ihrer Entwicklung einnehmen, hier gilt nun: Der Ausbau der Alpen ist an seinen Grenzen angelangt! Denn leider neigt der Mensch zu Übertreibungen und die Auswirkungen so mancher Entwicklung zerstörte das, was ursprünglich der Reiz des Reiseziels war. Waghalsig spannen sich heute Seilbahnen von Gipfel zu Gipfel – außer Frage technische Höchstleistungen – und sieht man sich Ausbau- und Erneuerungspläne großer Skigebiete an, muss man wohl glauben, als Maßstab wurde „the sky is the limit“ angesetzt. Landschaftsbild und der intrinsische Wert von Naturgütern haben hier wohl selten einen wichtigen Stellenwert.

Wie kann es anders gehen und wohin soll die Reise des Alpenraums gehen?

Und gleichzeitig stellt sich die Frage: „Wo findet man denn noch die Orte, in denen das Bergsteigen ist wie früher, mit einer intakten Dorfkultur vor der Kulisse einer unverbauten Bergwelt?“

Die Frage mag ein romantisiertes Bild der Alpen und des Bergsteigens zeichnen, aber gekoppelt mit dem Leitbild, wie eine nachhaltige Zukunft der Alpen aussehen könnte, hat sie großes Potential. Das Leitbild, von dem die Rede ist, ist die Alpenkonvention, „mit der sich die Alpen auf der politischen Ebene als ein gemeinsamer Raum in Europa konstituieren“ (Bätzing, 2015, S. 390) und die eine wünschenswerte Alpenentwicklung als völkerrechtlicher Vertrag festschreibt. So sind in den einzelnen Protokollen (Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Berglandwirtschaft, Naturschutz und Landschaftspflege, Bergwald, Tourismus, Bodenschutz, Energie, Verkehr) konkrete Maßnahmen festgeschrieben und für die Vertragspartner, die Alpenanrainerstaaten, rechtlich bindend.

Orte zu finden, in denen „das Bergsteigen ist wie früher“ und die den Weg einer nachhaltigen Entwicklung der Alpenkonvention entsprechend einschlagen wollten, war die ambitionierte Aufgabe, der sich Peter Haßlacher, damals Leiter der Abteilung Raumplanung und Naturschutz im ÖAV, und der Raumplaner Roland Kals ab 2005 stellten und damit den Grundstein für die heute länderübergreifende Initiative „Bergsteigerdörfer“ legten.

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Mehr als nur Tourismus – mit Wertschätzung zur Wertschöpfung

2020 sind es 29 Bergsteigerdörfer in vier Alpenländern (Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien), die dieser Alpenvereinsinitiative angehören. Neben dem vielfältigen Bergsportangebot setzen sich die Gemeinden, Tourismusverbände und Partnerbetriebe gemeinsam mit den Alpenvereinen bewusst für die Gestaltung eines nachhaltigen Bergtourismus ein, indem sie Angebote und Anreize für den Erhalt ihrer einzigartigen Landschaften, ihrer natürlichen und kulturellen Schätze schaffen. Stille Gipfel, gepflegte Landschaften wie Almen und Bergmähder, gelebte Traditionen oder vor Ort produzierte Lebensmittel mögen manchen unspektakulär vorkommen, für andere wiederum sind das große Schätze. Die Alpenvereine haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese Orte mit jenen Besuchern zusammenzubringen, die genau deren Besonderheiten suchen.

Hier geht es um mehr als nur um die touristische Entwicklung, um Bettenzahlen oder Nächtigungen. Es geht darum, das Bestehende zu nutzen und wertzuschätzen, und damit für die einheimische Bevölkerung einen Mehrwert zu schaffen – sei es, indem regionale Produkte konsumiert bzw. gekauft werden, sei es, indem bei einem familiengeführten Betrieb genächtigt wird, indem man sich nach der Wanderung im Dorfgasthaus stärkt, oder bei der Anreise und vor Ort die Öffis und Wandertaxiangebote nutzt.

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Mit der Unterstützung der regionalen Wirtschaftskreisläufe wird es leichter gelingen, das vielzitierte „Gute Leben in den Alpen“ für ihre Bewohner zu ermöglichen: Der Bauer wird seine Bergwiesen zur Produktion von besonderen Lebensmitteln nutzen und nicht verbuschen lassen, wenn sie in den Gastbetrieben vor Ort oder im Dorfladen Abnehmer finden. Dort wiederum finden Menschen Arbeit. Wenn im Dorf Einkommensmöglichkeiten vorhanden sind, sind weniger Personen zum Auspendeln oder gar Abwandern gezwungen, für junge Familien wird eine Zukunftsperspektive aufgezeigt, die sie als Anreiz nehmen, sich im Ort eine Zukunft aufzubauen. All das, und noch viel mehr gehört zu einer nachhaltigen Entwicklung ländlicher Regionen, zu der ein authentisches, touristisches Angebot beitragen kann.

Nachhaltig Reisen

Neben dem Angebot ist auch das Verhalten der Besucher eine Seite der Medaille „nachhaltiges Reisen“. Denn sie sind es, die das Angebot suchen, in Anspruch nehmen oder gar einfordern. Für Gäste, die sich ihr Ziel aussuchen, weil es ein Bergsteigerdorf ist, ist das Qualitätsversprechen dieses Zertifikats entscheidend. Dass Anreize, Information und ein wenig Öffentlichkeitsarbeit bei den richtigen Zielgruppen – wie es die Alpenvereine für ihre Bergsteigerdörfer betreiben – notwendig ist, zeigt dieses Beispiel: Kürzlich wurde in der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit dem Tourismusforscher Wolfgang Günther veröffentlicht, der in einer Studie zu nachhaltigen Urlaubsreisen zu folgendem Schluss kommt: Nur 4 % der Befragten in der vorgestellten Studie geben an, dass Aspekte der Nachhaltigkeit ausschlaggebend für ihre Reiseentscheidung waren, wohingegen 56 % der Befragten sagten, sie möchten nachhaltig verreisen. Zwischen diesen beiden Zahlen ist noch viel Luft, laut Günther aber auch Potential. „Man reist, um sich selbst Gutes zu tun – und nicht der Umwelt. Man möchte es sich schön machen, Freude am Leben haben, dem Jahr einen Höhepunkt geben. Wenn es dafür nötig ist, mit Vorsätzen zu brechen, tun wir das: Für den Urlaub geben wir uns eine Ausnahmegenehmigung. Man macht einen Urlaub nicht weil, sondern obwohl man sich nachhaltig verhalten will,“ so Günther.

Was diese Zahlen und die Aussage nach meinem Ermessen auch deutlich machen, ist, dass die Aufforderung „Verhalte dich umweltfreundlich!“ oder gar „…nachhaltig!“ nach wie vor abschreckend wirkt. Sie ist für viele einleuchtend, aber die Hürde, den Vorsatz in den Alltag einzubauen, ist hoch. Was alles man anders machen soll, stellt zum einen die bisherige Praxis in Frage und zum anderen überfordert die Vielzahl der geforderten Maßnahmen. Doch wie auch beim Bergsteigen gilt hier: Ein Schritt nach dem anderen und abwägen, welcher Weg der gangbare ist mit der mitgebrachten Ausrüstung. Wenn viele Akteure – lokale Initiativen, engagierte Alpenbewohner und sensibilisierte Alpenbesucher – kleine Maßnahmen anwenden, eröffnen sich Wege in eine wünschenswerte Zukunft. Als Alpenvereine und Träger der Initiative Bergsteigerdörfer hoffen wir, so zu einem guten Leben in den Alpen beitragen zu können.

Partner der Bergsteigerdörfer

  • Ă–sterreichischer Alpenverein (Ă–AV)
  • Deutscher Alpenverein (DAV)
  • Alpenverein SĂĽdtirol (AVS)
  • Planinska Zveza Slovenje (PZS)
  • Club Alpino Italiano (CAI)

Die Kriterien der Bergsteigerdörfer im Überblick:

  • Landschaftsqualität: reizvolle Kultur- und Naturlandschaft mit gebirgigem Charakter, Schutzgebiete, ZurĂĽckhaltung bei technischen ErschlieĂźungen im Alpenraum, keine Anbindungen an intensivtouristische Wintersportanlagen, keine Einrichtungen zur Energiegewinnung in ĂĽberörtlicher Dimension, keine Lage an Hochleistungsverkehrswegen.
  • Alpinkompetenz: kompetente örtliche Alpinberatung; ausgebautes und gepflegtes Wegenetz;
  • Mobilitätsqualität: Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln und bergsteigertaugliches Mobilitätsangebot vor Ort.
  • Ortsbildqualität: dörflicher Charakter, unter 2.500 Einwohner, kleine Betriebsgrößen, keine Parahotellerie.
  • Tourismusqualität: Beherbergungsbetreibe in mehreren Kategorien sind vorhanden, SchutzhĂĽtten ergänzen das Beherbergungsangebot; Einrichtungen wie Gasthaus oder Nahversorger vorhanden.
  • Kooperationsqualität: Gemeinde, Tourismusverantwortliche, Schutzgebietsbetreuungen, Alpenvereinssektionen und Partnerbetriebe arbeiten gemeinsam auf das Ziel einer nachhaltigen Gemeindeentwicklung hin.

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