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Schneegestöber

SchneeGestöber 1 2019/20 | Schwachschichtbildung: Viel Schnee vs. wenig Schnee

Je mehr Schnee, desto besser!

von Lukas Ruetz • 23.11.2019
In den Süd- und Zentralalpen gibt es bereits eine häufig sehr mächtige Schneedecke. Aufbauend umgewandelte Schwachschichten (Altschneeproblem) gibt es nur auf den Gletschern direkt am Gletschereis. Also dort, wo der Schnee aus dem Frühherbst liegen geblieben ist. Sonst ist der Schneedeckenaufbau sehr gut – und wird sehr wahrscheinlich in den schneereichen Regionen auch im Großen und Ganzen bleiben.

Schneestöbereien in der neuen Saison

Das SchneeGestöber wird durch eine Schneestöberin bereichert! Steffi Höpperger, ambitionierte Skibergsteigerin und ausgesprochene Schneewühlmaus wird zukünftig die Kolumne abwechselnd mit dem alteingesessenen Schneestöberer gestalten. Zudem wird sich das SchneeGestöber mehr auf die aktuelle Schneedeckensituation einer Region – meist den Stubaier Alpen – konzentrieren & Schneeprofile besprechen, erklären, interpretieren. Ausführliche Artikel mit vertieftem Hintergrundwissen, wie aus den vorigen Saisonen gewohnt, werden zur Abwechslung eingestreut.

profil 1, Grieskogelscharte, 10.11.2019, 2580m, N

Das Profil wurde vor den intensiven November-Schneefällen aufgenommen. Es gab am Standort bereits durch frühere, kleinere Schneefälle eine 42 cm mächtige Schneedecke. Der Schnee ist durch und durch relativ weich. Die unterste Schicht besteht aus kantig-abgerundeten Kristallen, die bereits schwach feucht sind, sich also in der Faust ballen lassen.

Entweder sind sie durch Sonneneinstrahlung und Lufttemperatur feucht geworden, also bevor es wieder drauf schneite, oder die Wärme vom Boden hat sie angefeuchtet. Das Profil ist in einem 33° steilen Nordosthang aufgenommen. Mit dem derzeitigen Sonnenstand und den Temperaturen Anfang November auf dieser Höhenlage war es also höchstwahrscheinlich die Bodenwärme.

Auffällig ist der extrem starke Temperaturgradient: Die rote Verbindungslinie der gemessenen Temperaturen ist extrem flach. Das heißt, es gibt bei einer verhältnismäßig geringen Schneehöhe einen massiven Temperaturunterschied. In Zahlen: Auf 42 cm finden wir einen Unterschied von 0°C am Boden zu -17,4°C an der Schneeoberfläche. Dadurch baut sich die gesamte Schneedecke aufbauend um, wird also zu einer Altschneeschwachschicht.

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Das sieht man bereits an den Kristallformen in Oberflächennähe: Oberhalb einer schwach ausgeprägten, dünnen Schmelzkruste hat sich der Neuschnee (Filz) bereits zu Kantigen Kristallen entwickelt. Sie sind noch sehr klein, unter 1mm groß. Deswegen stellen sie noch keine allzu prominente Schwachschicht dar, sobald sie von Neuschnee beziehungsweise mit Triebschnee überdeckt werden. Sehr schlecht wäre allerdings eine lange Schönwetterphase mit einem weiterhin starken Temperaturgradienten und einem dadurch bedingten Fortschreiten der Umwandlung. Dann würden die Kantigen Kristalle immer größer werden und sich schlussendlich zu hartnäckigem und – sobald eingeschneit – extrem gefährlichen Becherkristallen umwandeln.

Noch ist die Schneedecke aber spannungsarm, weil über der nur leicht ausgeprägten Schwachschicht kein härteres Schneebrett liegt. Deswegen wurde auch auf einen Stabilitätstest verzichtet (siehe Bemerkungen links oben), da man mit höchster Wahrscheinlichkeit keinen Bruch und damit keine, für ein potentielles Lawinenproblem relevante, Information daraus ziehen hätte können.

Es bleibt nur zu hoffen: Keine lange Schönwetterperiode und möglichst bald viel Neuschnee!

profil 2, Lampsenspitze, 20.11.2019, 2490m, N

Das zweite Profil wurde zehn Tage später in ähnlicher Exposition und Höhenlage aufgenommen. Inzwischen hat es im Untersuchungsgebiet der Nördlichen Stubaier Alpen über einen Meter an Neuschnee gegeben. Mit zwischenzeitlicher Setzung lagen an diesem Standort auf der Lampsenspitze während der Profilaufnahme 118 cm Schnee. Die bodennahen, mäßig ausgeprägten Schwachschichten, wie bereits am Schneeprofil 1 erkenntlich, entwickeln sich inzwischen wieder in die andere, für uns positive Richtung. Das heißt, sie bauen sich nicht mehr aufbauend um, sondern jetzt abbauend.

Zum einen passiert das durch den Druck des Neuschnees (mechanische Umwandlung), zum anderen durch den inzwischen allein durch die größere Schneehöhe wesentlich schwächer ausgeprägten Temperaturgradienten in der Schneedecke. Wenn es an der Schneeoberfläche gleich kalt wäre wie am Schneeprofil 1 (-17,4°C), wäre der Temperaturgradient bei mehr Schneehöhe trotzdem wesentlich kleiner: Die Temperaturänderung vom Boden (immer 0°C) zur Oberfläche ist nicht mehr auf 42 cm, sondern bereits auf 118 cm verteilt. Dadurch wird die Schwachschichtbildung erschwert oder sogar gestoppt und alles entwickelt sich wieder zu einer kompakten Schneedecke. Vorhandene Schwachschichten versintern (verbinden sich wieder besser) und der Bildung von neuen Schwachschichten wird vorgebeugt.

Lediglich in den obersten Zentimetern der Schneedecke ist der Temperaturgradient bei wolkenlosem Himmel noch stärker ausgeprägt (durch die langwellige Abstrahlung der Schneeoberfläche und damit einhergehenden Abkühlung). Das heißt, es werden sich in einer längeren, niederschlagsfreien Phase wahrscheinlich nur mehr Schwachschichten in Oberflächennähe entwickeln. Durch die mächtige Schneedecke ist es unwahrscheinlich, dass sich in der kommenden Saison die ganze Schneedecke oder bodennahe Schichten in Schwimmschnee verwandeln werden.

Schlechter schaut es in den derzeit noch schneearmen Gebieten aus. Mit jedem Tag mit klarem Himmel baut sich die Schneedecke weiter in eine Schwachschicht um, die bei Neuschnee gefährlich werden kann. Hoffentlich bildet sich bald überall eine mächtige Basis aus.

Merke: Altschneeschwachschichten bilden sich hauptsächlich in einer schneearmen Schneedecke bei wolkenlosem Himmel. Je mehr Schnee, desto besser für uns - in jeglicher Hinsicht!

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