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Schneegestöber

SchneeGestöber 7 2016/17 | Wiederholung und Präzisierung

Das Wetter langweilt nicht nur den Wetterblog

von Lukas Ruetz 15.12.2016
Der Alpenraum liegt nach wie vor im Einfluss eines Omegahochs. Die Schneedecke wandelt sich in höheren Lagen und schattseitig weiter aufbauend um, während es in steilen, tieferen Südhängen sowas ähnliches wie Firn gibt. Oberflächenreif findet man ebenfalls, allerdings aufgrund der niedrigen Luftfeuchtigkeit im Verhältnis zur Menge an Strahlungsnächten nur selten.

Die Powder-Apokalypse bleibt weiterhin aus und der Schneestöberer amüsiert sich über diverse Internetmeldungen, die mit einem Wetterumschwung im Glaskugelbereich liebäugeln. Die Zeit ist sinnvoller investiert, wenn man sich entspannt zurücklehnt, auf den irgendwann bevorstehenden Wintereinbruch wartet und sich in der Zwischenzeit mit dem Ist-Zustand und anderen interessanten Dingen beschäftigt. Und nochmal einiges aus den ersten Schneegestöber-Artikeln präzisiert:

Zur Wiederholung:

Der Schneestöberer weiß, dass dies in den letzten Schneegestöbern schon erwähnt wurde. Durch sein Studium mit pädagogisch-didaktischem Hintergrund weiß er aber auch, dass Wissensbildung und ein Verständnis für solche Prozesse zu entwickeln nicht von heute auf morgen stattfindet. Abstraktes Lernen an sich ist ein langsam ablaufender Prozess, der mit Wiederholungen und Immer-Wieder-Auftauchen von diversen Beschreibungen unterstützt werden kann.

Für die Schneeumwandlung ist derzeit nach wie vor ein Prozess prägend: die aufbauende Umwandlung. Wo man vor zwei Wochen noch auf eine tragende Schneedecke aufgrund von Wind- und Schmelzkrusten gestoßen ist, bricht man immer leichter durch bzw. fühlt sich der Untergrund immer „pulvriger" an. Die aufbauende Umwandlung bildet aus jeder ursprünglichen Kristallform zuerst Kristalle mit sichtbaren Kanten und Facetten, später sogar ganze Becher (wie eine ausgehöhlte Pyramide) bis 1cm Durchmesser. Diese Kristalle haben wenig Bindung zueinander und rieseln durch die Hände wie Zucker. Die aufbauende Umwandlung startet etwa ab einem Temperaturgradient von 15°C/m. Einfach ausgedrückt: Der Temperaturunterschied bei einer 1m mächtige Schneedecke muss zwischen Oberfläche und Boden etwa 15°C aufweisen. Bei einer Schneedecke von nur einem halbem Meter Mächtigkeit langt schon die Hälfte an Temperaturunterschied zwischen bodennaher Schicht und oberflächlicher Schicht.

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Die abbauende Umwandlung kann aus jeder Kornform klitzekleine klitzekleine (unter 0,5mm) rundliche Körner bilden. Sie läuft zwar immer in der Schneedecke ab – auch während die aufbauende Umwandlung im Gange ist – verliert aber ihre Vormachtstellung gegenüber der aufbauenden ab einem Temperaturgradienten von etwa 15°C pro Meter.

Die Namen leiten sich von den gebildeten Kristallen ab: „Aufbauend" weil die Kristalle dabei größer werden, „abbauend" weil sie kleiner werden. Dann gibt es noch die Schmelzumwandlung, die aufgrund von Wassereintrag bzw. Wärmeeintrag stattfindet - der Schnee schmilzt also einfach. Die Schichten aus der Schmelzumwandlung und der aufbauenden Umwandlung werden glasiger, die Produkte aus der abbauenden Umwandlung bleiben rein-weiß wie Neuschnee. Neuschneebildung selbst kann zumindest gedanklich auch ähnlich wie die aufbauende Umwandlung eingeordnet werden. Zwar läuft die Schneekristallbildung in der Atmosphäre auf eine andere Art ab als innerhalb der Schneedecke, aber es handelt sich auch um eine Vergrößerung der Kristalle. Alle Kristallformen der Kategorie atmosphärische Entstehung und aufbauende Umwandlung sind (wenn eingeschneit) „bruchfreudiger" als Produkte der abbauenden Umwandlung und der Schmelzumwandlung.

Und hier haben wir den Salat, der uns erklärt, warum schneearme Winter tendenziell gefährlicher sind als schneereiche und warum solche Wetterlagen im Frühwinter bzw. bei spärlicher Schneedecke leider den Schnee lockerer werden lassen: Durch die wolkenlosen Nächte kühlt die Schneedecke oberflächlich massiv aus, der Temperaturunterschied zum Boden hin wird stärker. Die Oberflächentemperatur liegt dabei meist zwischen 5°C bis 15°C unterhalb der Lufttemperatur. Je weniger Schnee liegt, desto kleiner ist der Raum, auf dem der Schnee den Temperaturunterschied aufweist.

Warum „schneereich" nicht von Grund auf gefährlich ist

Dazu braucht man eine grundlegende Vorstellung vom Begriff „Schneedecke": Schnee ist porös, verhältnismäßig „heiß" (da immer relativ nahe am Schmelzpunkt) und dadurch umwandlungsfreudig. Außerdem besteht er nicht nur aus Eis, sondern aus Eis und Luft - unter Umständen auch mit einem Wasseranteil. Stellen wir uns die Schneedecke wie Styropor vor: Ein Eisgerüst mit Lufteinschlüssen, das aber untereinander mehr oder weniger stabile Verbindungen aufweist. Ob das Stück Styropor ein oder zwei oder fünf Meter dick ist, hat gar nichts mit seiner Stabilität gegenüber Brüchen innerhalb davon zu tun. Das kommt nur darauf an, wie gut die Verbindungen von einem Teil des Gerüsts zum anderen sind. Eiskletterer wissen: Je kälter es ist, desto spröder ist das Eis – das heißt, es ist zerbrechlicher – so wie auch Kunststoffe bei Kälte spröder werden. Da wir in der Schneedecke verschiedene Kristallformen finden, die zusammen das gesamte Gerüst aufbauen, sind die Verbindungen nicht überall gleich gut und teilweise stabil und teilweise recht zerbrechlich.

Die Zerbrechlichkeit kommt zum einen also auf die Formen der Kristalle an: Plättchen und Becher haben wenige Kontaktpunkte untereinander – das Gerüst hängt nur an wenigen Stellen zusammen - dagegen sind kleine, runde Formen wesentlich dichter aneinander gedrängt und berühren sich an einer wesentlich größeren Fläche. Schmelzklumpen dagegen sind mit Wassereis zusammengekittet und halten trotz ihrer Größe ebenfalls gut zusammen.

Zum anderen kommt die Zerbrechlichkeit auf die momentane Temperatur der Kristalle an: Je kälter sie sind, desto spröder ist das Gerüst, es zerbricht also leichter. Schneebrettlawinen entstehen durch Brüche in diesem Gerüst. Wenn eine besonders mächtige Schneedecke relativ homogen ist und im Idealfall nur aus abbauend umgewandelten Rundkörnern mit dem selben Härtegrad besteht, gibt es praktisch keine Möglichkeit für einen Bruch.

Der schwächer ausgeprägte Temperaturgradient in einer mächtigen Schneedecke, die wahrscheinlich weniger häufigen bzw. langen Schönwetterphasen mit Strahlungsnächten während dem Aufbau einer mächtigen Schneedecke und die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwaige Schwachschichten so tief innerhalb befinden, dass sie nicht mehr störbar sind, lassen schneereiche Winter im Gesamtbild eher sicherer werden als schneearme.

Exkurs: Gebundener Schnee hat nichts mit hart oder weich zu tun
Hier noch ein Video vom Oktober wo man sehr schön sieht, dass gebundener Schnee für ein Schneebrett nur bedingt mit der Schneehärte zusammenhängt:

Merke: Schnee ist porös, heiß und umwandlungsfreudig. Die Umwandlung von Schnee hängt immer mit der Temperatur innerhalb der Schneedecke zusammen. Schneebretter entstehen durch einen Bruch und die Bruchfortpflanzung im Schneegerüst.

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