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Schneegestöber

SchneeGestöber 7 2019/20 | Schneeschichten bestimmten Zeiträumen zuordnen

Vor allem an besonnten Hängen häufig möglich

von Lukas Ruetz 04.01.2020
Die Schneeoberfläche hat sich skifahrerisch wieder zum Negativen gewendet. Nach einer von Powder und Schönwetter gesegneten Weihnachtszeit haben Menschenmassen, Wind und Sonne ihre Spuren hinterlassen. Darum widmen wir uns besser wieder einem Schneeprofil als dem Skifahren.

Profil lesen: Steintalspitze, 02.01.2020, 2670m, SO, 36°

Wir befinden uns hier in einem sehr steilen Südosthang. „Sehr steil“ bedeutet immer zwischen 35° – 40° Hangneigung. Alles steiler als 40° bezeichnet man als „extrem steil“, alles von 30° – 34° wird als „steil“ bezeichnet und alles < 30° ist „mäßig steiles“ Gelände. So lautet die offizielle Definition der Lawinenwarndienste. Hier liegen ca. 150 cm Schnee in zwölf Schichten. Es gibt auf den ersten Blick keine markante Schwachschicht da die blaue Schraffierung (= Schichthärten) nirgends stark nach rechts ausgespart ist. Dafür sehen wir mehrere Ausschläge der Schraffierung nach links. Dabei handelt es sich um Krusten. Das können Windkrusten oder Schmelzkrusten sein. In diesem Fall erkennen wir vier ziemlich dünne Schmelzkrusten verteilt auf die gesamte Schneehöhe.

Im oberen Bereich (grün) der Schneedecke gibt es Zeichen für frühere aufbauende Umwandlung. Das erkennt man an den vorhandenen kantigen Kristallen. In den unteren zwei Dritteln des Profils (hauptsächlich blauer Bereich) sieht man Hinweise auf vergangene abbauende Umwandlung, also rundkörnigen Schnee und kantig-abgerundete Kristalle – sowie einen steilen Temperaturgradienten, der die abbauende Umwandlung weiterhin fördert. Aber da die kantig-abgerundeten Kristalle vormals kantige Kristalle waren, weiß man auch, dass hier schon vor längerer Zeit die aufbauende Umwandlung am Werk war. Aber auch die Schmelzumwandlung war vertreten: Zum einen bei der Bildung der Schmelzkrusten, zum anderen in den untersten Schichten bei der Bildung der Schmelzform. Die Krusten wurden entweder durch Regen oder warme Temperaturen bzw. Sonneneinstrahlung gebildet. Die feuchten Schmelzformen in der untersten Schicht wurden wahrscheinlich durch die Bodenwärme schmelzumgewandelt.

Schneeschichten an gewisse Schneefallperioden bzw. Zeiträume einer Umwandlung zuzuordnen, kann ganz einfach, extrem schwierig oder auch gar nicht möglich sein. Man muss wie Sherlock Holmes alle Indizien akribisch erfassen und mit dem Geschehenen verknüpfen. Einzig und allein durch die Krusten kann man wirklich exakt Rückschlüsse auf einzelne Schneefall- bzw. Schönwetterphasen ziehen. Von 0 – 40 cm liegt der Schnee von den Starkschneefällen bis 18. November mit anschließender Schönwetterphase. In dieser Phase hat sich die Schneedecke gesetzt und wurde in sehr steilen Sonnenhängen in dieser Höhenlage oberflächlich feucht. Diese oberflächlich feuchte Schicht wurde in weiterer Folge zur Schmelzkruste. Auf diese Schmelzkruste hat es dann bis zum 03.12. wieder drauf geschneit. Bevor die nächste Schönwetterphase folgte. Übrigens gab es schon richtig gute Bedingungen in dieser Zeit! Wieder wurde die Schneeoberfläche feucht und verkrustete danach. Darum kann man den Schnee von 40 – 60 cm auf die Schneefälle der ersten Dezembertage zuordnen. Von 60 – 85 cm wieder das gleiche Spiel: Schneefall, Schönwetter, Krustenbildung an Schneeoberfläche. Der Schnee seit 21.12. liegt oberhalb von 85 cm.

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Testergebnis

ECT31. Also weder ein Teilbruch noch ein vollständiger Bruch beim erweiterten Säulentest.

Im deutschsprachigen Raum wird der Extended Column Test übrigens oft auch als „Erweiterter Kompressionstest“ bezeichnet. Hier handelt es sich um einen gängigen Fehler. Obwohl der ECT die Weiterentwicklung des CT (Compression Test) darstellt, hat er das „Compression“ aber nicht mehr in seinem Namen.

Interpretation

Lawinengefahr

Das Schichtprofil samt Schichthärten sowie der Test weisen auf eine sehr stabile Schneedecke zu diesem Zeitpunkt hin. Es gibt nur eine ganz, ganz leicht ausgeprägte Schicht, die theoretisch als Schwachschicht fungieren könnte. Die Schicht mit kleinen kantigen Kristallen oberhalb der Schmelzkruste bei 85 cm (Orange). Es handelt sich hier um ein Problem aufgrund des Gefahrenmusters „Kalt auf warm“. Als die Schneedecke am 21.12. nach einer Schönwetterphase samt oberflächlicher Anfeuchtung wieder von kaltem Pulverschnee überlagert wurde, konnten sich durch den Temperaturunterschied hier kantige Kristalle oberhalb der Kruste bilden. Praktisch gesehen ist die Schicht aber kein Grund zur Sorge, außer sie wäre nur ausnahmsweise genau hier so schwach ausgeprägt. Ein Profil ist eben immer nur ein winziger Mosaikstein, der ins gesamte Bild des Schneedeckenaufbaus mittels Prozessdenken eingeordnet werden muss. Aktuell sehen wir an diesem Profil also eine stabile Schneedecke. Für die Zukunft problematisch könnte die aufbauend umgewandelte Schneeoberfläche werden. Die kantigen Kristalle bilden eine geeignete Schwachschicht für überlagernden Triebschnee bei einem folgenden Schneefall.

Aktuell stattfindende Umwandlungsprozesse

Am Tag der Profilaufnahme findet man nicht nur Hinweise auf frühere Umwandlungsprozesse wie im Abschnitt „Profil lesen“ erläutert, sondern es wirken auch alle drei Umwandlungsarten nach wie vor zu diesem Zeitpunkt an diesem Standort: Durch weitere Bodenwärme schmilzt mehr Schnee in der untersten Schicht, die Schmelzumwandlung.

Durch den steilen Temperaturgradienten in den unteren zwei Dritteln bauen sich diese Schichten weiterhin abbauend um. Und durch den flachen Gradienten in Oberflächennähe baut sich der oberste Bereich untertags sowie nachts weiter aufbauend um. Allerdings ändert sich durch die Sonneneinstrahlung tageszeitlich die Richtung des Gradienten an der Schneeoberfläche. Bei Besonnung ist es an der Oberfläche viel wärmer als wenige Zentimeter darunter. Am Nachmittag, Abend und in der Nacht kühlt die Oberfläche wieder stark aus in diesem Südosthang und wird wieder viel kälter als der Schnee wenige Zentimeter tiefer in der Schneedecke. Der Output ist aber der gleiche, ein großer Temperaturunterschied bleibt bestehen. Die aufbauende Umwandlung ändert nur mit der Richtung des Gradienten die Richtung des Kristallwachstums. Die Art des Kristallwachstums hängt aber nur von der Stärke des Gradienten ab, nicht von dessen Richtung. Nur in den täglichen Übergangszeiten zu Sonnenaufgang und Sonnenuntergang gibt es ganz kurz auch eine mehr oder weniger isotherme Schneedecke, also einen geringen oder nur kleinen Temperaturgradienten. In diesem Zeitraum übernimmt dann wieder kurz die abbauende Umwandlung.

Die Kombination von oberflächlicher, aufbauender Umwandlung und abbauender Umwandlung in tieferen Schichten ist das Optimum zur weiteren Reduktion der Lawinengefahr bei gleichzeitiger Erhaltung des Pulverschnees. Die oberen Schichten werden locker und bilden so genannten Noppenpulver. Das ist Schnee, der ähnlich zischt wie Firn aber zum Fahren ähnlich wie Pulver ist. Aber es ist kein Pulverschnee mehr aus Neuschnee, sondern Pulverschnee aus aufbauend umgewandeltem Altschnee. Außerdem verlieren die oberflächlichen Schichten damit ihre Eignung für ein Schneebrett.

Gleichzeitig verbinden sich tiefer in der Schneedecke eventuell vorhandenen Schwachschichten wieder besser durch die abbauende Umwandlung. Sie werden kompakter und die Kristalle werden kleiner. Umgekehrt, also oberflächliche abbauende Umwandlung bzw. mechanische Umwandlung (Triebschneebildung) in Kombination mit tiefer gelegener aufbauender Umwandlung (Schwachschichtbildung) bewirkt das genaue Gegenteil: Die Lawinengefahr nimmt zu während die Schneequalität abnimmt.

Merke: Umwandlungsprozesse finden auf kleinstem Raum statt. Wichtig ist nicht der Temperaturunterschied von der Oberfläche bis zum Boden, sondern immer von einem Schneekristall zum Nächsten. Das erklärt, warum alle Umwandlungsarten gleichzeitig in der Schneedecke an verschiedenen Stellen wirken können.

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