Je einen Tag lang begleitete Eliane Droemer die beiden Schweizer, die Sicherheit als Dienstleistung in einem Raum anbieten, in dem es keine hundertprozentige Sicherheit gibt – auch wenn Engel als Namensgeber des Ortes mit ihren Stimmen aus den Bergen schon vor über 900 Jahren zur Gründung der Abtei Engelberg geführt haben sollen. Himmlisch ist auf jeden Fall das Angebot an Variantenabfahrten rund um den mächtigen Berg Titlis, der Freeridefans aus aller Welt anzieht.
Big 5 und High 5
Warum Engelberg für seine Off-Piste Qualitäten bekannt ist, wird schon klar, wenn man mit der ersten Gondel ab Tal Richtung Trübsee fährt. In Begleitung von Christoph Bissig haben wir das Privileg, um 7 Uhr morgens bereits die Dienstfahrt nutzen zu dürfen. Ein später Arbeitsbeginn für den Pisten- und Rettungschef, der bei Neuschnee in der Nacht eher ab 4 Uhr auf den Beinen ist, um mit seinem Team Sprengungen vorzunehmen. Die vor Betriebsöffnung kontrolliert ausgelösten Lawinen können dann nicht mehr die Skipisten gefährden.
Ich schaue mit leuchtenden Augen aus der Gondel linker Hand auf einen besonders breiten und langen Hang mit einem traumhaft gleichmäßigen Gefälle von bis zu 40 Grad. „Das ist das Laub, eines der Big 5“, erläutert Bissig. Big 5 sind fünf Freeride-Sahnestücke in Engelberg, die alle ohne Aufstieg direkt ab Lift erreichbar sind und außergewöhnliche lange Abfahrten von bis zu 2000 Höhenmetern bieten. „Laub“ bedeutet übrigens „Lawine“, wie wir einen Tag später von Christian erfahren. Ausgewiesene Freeride Routen zu nutzen heißt nicht, die Verantwortung abzugeben. Hier sind alpine Gefahren ebenso zu respektieren wie die Wildruhezonen.
High 5 hingegen sind die Leckerbissen für Tourengeher ab Skigebiet Engelberg wie u.a. der alpine Klassiker „Titlis Rundtour“, der mit Kletterpassagen, Abseilen und langen Abfahrten während der siebenstündigen Tour ein Highlight darstellt, für das man mit einem Bergführer gut beraten ist.
Trotz der besonderen Herausforderungen, denen sich ein Skigebiet stellt, wenn es Freerider und Tourengeher willkommen heißt, hält Engelberg an der Klientel fest – was mit dem Gletschergebiet Titlis besonders delikat ist. An alpinen Gefahren mangelt es nicht. Neben den Lawinen mahnen auch Gletscherspalten und sehr felsiges, steiles Gelände zur Vorsicht.
Der Mensch, die Gruppe
Bei allen alpinen Gefahren – die Komponente Mensch ist für beide ein äußerst wichtiger Faktor- für den Pistenchef ebenso wie für den Bergführer. Christoph Bissig geht so weit zu sagen: „Wer den Job macht, muss die Menschen gern haben“. Was er damit meint, wird deutlich, wenn er von Unfallhergängen erzählt oder auch wenn man die Bergstation Klein Titlis auf 3028 Metern Höhe verlässt wo kurz vor dem Corona Lockdown im März 2020 Rummel herrscht. Mit einem Blick über die Schulter grinst er: „Stell Dir das im Juni vor mit rund 4000 Indern.“ Indern? Allerdings, bestätigt Marketingleiterin Katrin Benz, Engelberg sei sehr international aufgestellt. Neben den Freeridefans aus Europa, Skandinavien und den USA kommen im Frühsommer Gruppenreisen aus Indien und anderen asiatischen Ländern, für die die Berge als Fotomotiv schon ein Erlebnis an sich ist. Dass dieses Jahr alles anders sein würde, wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.