Es beginnt mit der E-Mail eines Freundes: “Hast du diese Line durch die Höhle schon gesehen?”, fragt er darin und hat seiner Anfrage noch den Link zur Webseite eines lokalen Extremskifahrers angefügt, der diese einzigartige Abfahrt durch natürliche Höhlen und Tunnel gefahren war. Als ich die Bilder sehe, traue ich meinen Augen kaum: Einfach Wahnsinn! Skifahren durch ein Höhlensystem. Diese Abfahrt müssen wir einfach machen. Der Plan ist schnell geschmiedet. Zusammen mit meiner (Ski-)Partnerin Sandra und einem Freund machen wir uns auf, ins „Chourum Olympique“, so heißt dieses einzigartige Höhlen-Couloir.
Das Devoluy ist eine Bergkette westlich des berühmten Ecrins-Massivs (La Grave). Das Devoluy-Gebirge ist bekannt für seinen weichen, wasserlöslichen Kalkstein und dadurch ein echtes Paradies für Höhlentouren und –wanderungen. In der Region findet man unzählige Höhlen und Tunnel. Sogar einen Untergrund-Gletscher kann man bestaunen – sofern man bereit ist, zu ihm hinunter zu klettern. Aber nur wenige dieser Tunnel, die in der lokalen Dialekt „Chourum“ genannt werden, sind mit Ski oder Snowboard befahrbar. Für Skifahrer bietet die wilde Devoluy-Bergkette teils einfache Skitouren, – es gibt aber auch viele sehr steile und exponierte Couloirs.
Chourum Olympique am Grand Ferrand
Während der gesamten Skitour müssen etwa 1700 Höhenmeter, die mit einigen Schwierigkeiten gespickt sind, bewältigt werden. Die eigentliche Höhle umfasst etwa 450 Höhenmeter. Die ersten 1200 Höhenmeter sind eine ziemlich gemütliche Skitour in mäßig steilem Gelände und daher vergleichsweise schnell erledigt. Da das Gebiet im südlichen Teil der Französischen Alpen liegt, muss in den niedrigeren Höhenlagen zumeist mit wenig Schnee gerechnet werden. So auch bei unserem Tour: Der Schnee reichte gerade so aus, um einigermaßen durchzukommen.
Die Landschaft ist atemberaubend und steil: Chaotisch, ungleichmäßig angeordneten Hänge, Rinnen und Gipfel umgeben uns – sie sind durchzogen von Höhlen und Löchern wie ein Schweizer Käse. Im Hochtal unterhalb des Chourum Olympiques dachten wir schon, wir seien falsch, so steil ragten die Felswände vor uns empor. Aus einiger Entfernung sah die Felswand einfach unbefahrbar aus. Doch ein doppelter Check auf unserer Karte, und wir waren uns wieder sicher: Hier direkt vor uns, in dieser nahezu senkrechten Felswand muss die Höhle verlaufen. Und tatsächlich, erst knapp unterhalb der Höhle konnten wir den Einstieg sehen.
Selbst unsere Zehenspitzen kribbeln vor Aufregung: Wie Kinder vor dem Weihnachtsbaum stehen wir vor diesem Monument aus Kalkstein. Der Schnee scheint gut fahrbar und griffig. Wir haben so etwas noch nie zuvor gesehen, geschweige denn befahren. Wir starten unseren Aufstieg durch den Tunnel. Die Ski an den Rucksäcken, die Steigeisen an den Schuhen und die Eispickel in den Händen. Steile Felsen umringen uns, ein gefrorener Wasserfall hängt knapp über uns und ein magisch schimmerndes Licht leitet uns den Weg zum Tunnelausgang. Am Ausgang der ersten Höhle blicken wir zurück in den steilen Hang unter uns, der in einem Loch im Fels verschwindet.
Nach einem steilen Aufstieg im Hang zwischen den beiden Höhlen, den es zu bewältigen gilt, erreichen wir den zweiten Tunnel. Dieser Hang in der Höhle ist noch etwas steiler als zuvor, besonders als wir durch die zweite Felsröhre steigen. Zügig erreichen wir jedoch den gleißend hellen Höhlenausgang und stehen am Gipfel des Grand Ferrand. Die meisten Skifahrer fahren hier auf der anderen, einfacheren Seite des Bergs hinunter. Wir hingegen sind mit dem Ziel hochgeklettert auch wieder durch die Höhlen abzufahren.
Mit 50° Steilheit und einigen großen Felsriegeln inmitten der steilen Flanke ist die Abfahrt jedoch ein durchaus ernstes Unterfangen.
Die ersten Schwünge auf dem flachen Gipfelplateau liegen schnell hinter uns, und wir tauchen direkt in den ersten Tunnel ein. Nach wenigen Schwüngen werden wir selbstbewusster und fühlen uns recht sicher. Dabei ist das Gefühl durch die enge Felsröhre mit Ski hindurchzufahren so einzigartig, dass wir uns wünschten, es solle ewig dauern. Viel zu schnell sind wir wieder am unteren Ende der beiden Tunnel.
Eine einzigartige Erfahrung liegt hinter uns. Wir blicken zurück zur Felswand und können fast nicht glauben, dass wir durch diese Wand mit Ski hindurch gefahren sind. Ein paar letzte Schwünge im sanft geneigten Auslauf des Hangs bringen uns zurück zu unserem Ausgangspunkt. Eine Tour so einzigartig wie die mit Schnee gefüllten steilen Kalksteinhöhlen.
Die Tour durchs Chourum Olympique werden wir nie vergessen!
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Informationen
Ort: Devoluy (südliche Französische Alpen)
Berg: Grand Ferrand
Maximale Steilheit: 50°
Exposition: Ost
Besondere Gefahren: Absturzgefahr
Höhenmeter bergauf / bergab: 1700 m
Bester Zeitpunkt: Februar bis März
Notwendige Zusatzausrüstung: 2 Eisäxte, Steigeisen, Gurt, Helm, Karabiner, Eisschraube(n)
Anmerkung der PG-Redaktion
Wir haben diese Tour bereits vor mehreren Jahren auf PowderGuide veröffentlich. Fucky, der Fehlerteufel hat jedoch die Daten gefressen, weshalb wir euch an dieser Stelle diese Prachtstour gerne nochmals vorstellen.