Wintersport in Argentinien beginnt für uns mit einer Weinprobe in einer Bodega, im "Valle de Uco" im Hinterland von Mendoza. Es ist Mitte Juli, wir kommen aus dem europäischen Sommer und sind auf der Suche nach südamerikanischem Pulverschnee. Doch hier auf 700 m Seehöhe ist es gar nicht so kalt wie erwartet und der Himmel ist so klar und blau, dass er fast unecht wirkt. Nur der Blick auf die schneebedeckten Anden, die weit in den Himmel emporragen, lassen ein wenig Winter vermuten.
Unsere Reise führt uns von Mendoza aus nach Süden, vorbei an den letzten Weinanbaugebieten und durch eine sehr karge, trockene Steppe, die nur von ein paar Wildpferden bevölkert zu sein scheint. Rechts von uns erstrecken sich schier endlos die weiß gezuckerten Anden und wecken unsere Vorfreude auf unberührte Powder-Lines. Für Stunden führt die staubige, nicht geteerte Straße geradeaus und wir begegnen keinem anderen Fahrzeug und kommen auch an keiner Ansiedlung vorbei. Die Temperaturen sind noch immer nicht wirklich winterlich und die Vorstellung bereits am nächsten Tag im Schnee zu sein wirkt in dieser Umgebung etwas sonderbar. Unser Ziel heißt Las Lenas, das größte Skigebiet Argentiniens und bekannt als absolutes Freeride-Mekka Südamerikas. Fast alle großen Namen des Snowboardens haben hier schon ihre Spuren in den Schnee gezogen und diverse große Foto- und Filmproduktionen sind regelmäßig zu Gast, um die besten Rider der Welt in den legendären Abfahrten abzulichten.
Die Straße führt jetzt nach Westen, direkt aufs Gebirge zu, und die Berge wachsen immer höher vor uns aus der Pampa auf. Die Sonne ist jetzt häufiger von Wolken verdeckt und in der Ferne ballt sich eine dunkle und bedrohlich wirkende Schlechtwetter-Wolken-Front zusammen. Der laue Wintertag, den wir noch im T-Shirt und mit strahlendem Sonnenschein begonnen haben, scheint vorbei zu sein. Je näher wir an Las Lenas herankommen, desto winterlicher wird zwar die Landschaft, doch so richtig viel Schnee liegt nicht. Der Himmel ist komplett zugezogen, der Wind wird stärker und schwarze Wolken ziehen immer schneller über die Bergspitzen in das Hochtal herein. Es riecht nach Schnee. Und gerade als wir unser Apartment bezogen haben, bricht ein Schneesturm los und rüttelt mit solcher Gewalt an den geschlossenen Jalousien als wollte er uns gleich wieder von hier vertreiben.
Sonne und 60 cm Powder
Der nächste Tag beginnt mit Sonne und sechzig Zentimetern Pulverschnee. Mehr Glück können wir gar nicht haben: Von einem auf den anderen Tag ist alles tief verschneit und das "Wintergefühl" stellt sich schlagartig bei uns ein. Las Lenas ist ein klassischer Retorten-Ort und besteht lediglich aus ein paar Hotels, Apartment-Häusern, Restaurants und Bars die nur während der Saison geöffnet haben. Von hier aus führen einige Lifte auf den Cerro Los Fosiles mit 3430 m Höhe. Aber der Lift, der die Herzen der die argentinischen und internationalen Freerider höher schlagen lässt, heißt "Martes" und führt von hinten auf den Cerro Los Fosiles bis ganz nach oben. Den "Martes" bei frischem Schnee zu fahren ist von den Möglichkeiten her so gut wie Heliboarden – nur ohne Heli und für deutlich weniger Geld. Alleine wegen diesem Lift lohnt sich die mühselige und weite Reise bis hierher in Kauf zu nehmen. Doch leider ist er wegen des Sturms geschlossen und wir müssen mit einem der anderen Lifte vorlieb nehmen.
Grandiose Bedingungen im Juli
Zum ersten Mal seit Monaten und mitten im Juli schließe ich die Bindung an meinem Snowboard, fahre mit viel Schwung in den tiefen Powder und ziehe meinen ersten Turn, der mich mit einem unglaublich großen Spray belohnt. Nach und nach machen immer mehr Lifte auf und wir verbringen diesen Tag damit möglichst viele "First Lines" zu ergattern. Es könnte wahrlich schlimmer sein – doch der legendäre "Martes" bleibt leider geschlossen. Abends in der Bar erfahren wir von den einheimischen Ridern, dass ausgerechnet dieser Lift oft wochenlang geschlossen bleibt und schon viele Gäste vergeblich auf nur einen geöffneten Tag gewartet haben und unverrichteter Dinge wieder abreisen mussten. Doch wir haben Glück und tatsächlich öffnet der "Marte" am nächsten Morgen seine Pforten und beschert uns fast grenzenloses Schneevergnügen auf den 1200 Höhenmetern der Nordseite des Cerro Los Fosiles. Die Auswahl der Möglichkeiten nach Las Lenas abzufahren ist schier unerschöpflich und bietet genug Potential, um mehrere Tage lang immer neue Lines zu fahren. Allerdings ist das Gelände steil bis sehr steil und führt meist durch enge Rinnen und Couloirs zwischen Klippen und Felsabstürzen hindurch. Alle großen Rinnen haben Namen und man ob man zuerst das linke "Coluar Mercurio" fährt, welches beim Lift Vulcano endet oder daneben oder das "Coluar Martes" oder das mittlere "Coluar El Cartell" bleibt jedem selbst überlassen. Vielleicht soll es ja heute das Coluar Eduardo sein, dass immer nur mit dem Zusatz "The guy died" genannt wird?