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Abenteuer & Reisen

¡Viva los Pirineus! - ¡Visca els Pirineus!

Da war sie wieder – die alljährlich wiederkehrende und mit den steigenden Temperaturen immer dringlicher werdende Frage danach, wo es denn im Sommer hingehen soll.

von Christian Skala 24.10.2017
Spätestens wenn die ersten Kollegen anfangen von ihren fernen Reisezielen zu schwärmen und dann ihre Ausführungen mit dem nicht zu vermeidenden „und bei euch so?“ beenden, wird einem schnell bewusst, dass man sich mal wieder viel zu spät um die Urlaubsplanung kümmert. Fast entschuldigend antworteten wir darum dieses Jahr „ach, was Unspektakuläres, wahrscheinlich nur Europa, wie im letzten Jahr – der Zeit geschuldet…zu spät dran mit Planen.“

Aber wieso eigentlich „Unspektakulär“, „nur Europa“, „der Zeit geschuldet“? Denn wie auch bei unserem Abruzzentrip im letzten Jahr, sollte sich das auch dieses Jahr keineswegs bewahrheiten.

Europa sollte es also sein. Wie es der Zufall will, gab uns ein Boulderspezl nach eben obig dargestellter Fragerei den Tipp, doch einmal die Pyrenäen als Sommerziel in Betracht zu ziehen. Noch kurz bei Knut, dem Spezialisten vor Ort, nachgefragt und spätestens als auch er uns die spanischen Pyrenäen ans Herz legte, entschieden wir uns dorthin zu fahren. Wir wollten eine 10-tägige Durchquerung durch den zentralen Part der spanischen Pyrenäen (Aragon) angehen.

So saßen wir recht spontan auch schon einige Tage später mit Sack und Pack und Zelt im Flieger in Richtung Madrid. Von dort schloss sich eine gefühlt unendliche Busodyssee in Richtung Ausgangsort Candanchu an. Vermutlich kam uns die Anreise auch besonders lange vor, weil die Landschaft zwischen Madrid und Saragossa mit ihrem wüstenähnlichen Charakter recht eintönig ist. Hochmotoviert waren wir anfangs, schließlich hatten wir beschlossen, die Tour by fair means durchzuziehen, sprich wir hatten unsere gesamte Verpflegung dabei und wollten komplett autark reisen. Spätestens nach den ersten Stunden auf unserem Weg kamen die unheilvollen Erinnerungen an unseren mühevollen Kirgistantrip zurück, denn der Rucksack war mit seinen knapp über 20 kg doch wieder ganz schön schwer. Dafür entschädigte aber bereits von Anfang an die beeindruckende Kulisse des Gebirges. Im Gegensatz zur Mondlandschaft bei der Anreise war es hier satt grün und überall fand man Quellen, Flüsschen, Seen. Damit hatten wir nicht gerechnet und wir wussten bis dahin auch nicht, dass die Pyrenäen das seenreichste Gebirge Europas sind (perfekte Vorbereitung!). Das wird auch an vielen Orten zur Gewinnung nachhaltiger Energie genutzt.

Die Pyrenäen sind im Vergleich zu den Alpen ruhig, entspannt und einsam. Die dort vorherrschende touristische Infrastruktur ist gut ausgebaut, aber wesentlich sparsamer gesät. So gibt es beispielsweise kaum und wenn dann nur wenig ausgebaute Skigebiete. Das macht das Bergerlebnis dort viel intensiver und naturbelassener. Trifft man dann doch einmal auf einen Mitwanderer, so ist es zu 80% ein knackig durchtrainierter Spanier (bzw. Spanierin) beim Trailrunning mit äußerst ambitionierter Geschwindigkeit. Kilian Jornet lässt grüßen.

So durchquerten wir die Zentralpyrenäen mit durchschnittlich 1200hm und 20 km am Tag und kamen dabei durch sehr unterschiedliche Landschaftsformen: Scharfer Granit, geformt in unzähligen, zähneartigen Spitzen und dann wieder Canyons, die dem Grand Canyon an Schönheit kaum nachstehen. Das Gelände ist durchaus über weite Strecken anspruchsvoll und alpin und erfordert Aufmerksamkeit, gerade so schwer bepackt. Viele der Gipfel sind über 3000 Meter hoch und bilden ein herrliches Panorama.

Aufgrund ihrer Einzigartigkeit wurden viele Teile der Pyrenäen zum Nationalpark deklariert. Eine an und für sich gute Sache, solange man dort nicht zelten muss, den in den Nationalparks herrschen die gefühlt abstrusesten und willkürlichsten Zeltregeln Europas. Während man in Nationalpark A erst ab einer Höhe von 1650 hm sein Zelt aufstellen darf, darf das Zelt in Nationalpark B maximal 1,30 m hoch sein, aber nur ab einer Höhe von 2000m und in Nationalpark C darf es hingegen schon 1,50m hoch sein. Hmmm… Logisch erschien uns das nicht. Vielleicht sollten wir einfach die Bären nicht verwirren, welche man in den Pyrenäen wieder angesiedelt hat? Egal, wir fanden letztlich immer ein konformes Zeltplätzchen, meist an einem der wunderschönen und einsamen Bergseen, so dass sich der anstrengende Tag mit einem Bad im frischen, klaren Wasser abrunden ließ.

Nur relativ selten kommt man an bewirtschafteten Hütten vorbei, welche sich auch kaum mit denen der bayerischen und österreichischen Alpen vergleichen lassen. Hier geht es weit ursprünglicher zu und man trifft auf immer gut gelaunte Spanier, die wohlgemerkt dort oft nicht Spanisch und schon gleich gar nicht Englisch sprechen. Meist trifft man auf ein Kauderwelsch verschiedener lokaler Dialekte, aber mit Händen und Füßen und einer guten Portion Humor bekommt man schließlich dann doch einen Espresso. Den leisteten wir uns trotz Selbstversorgungswillen.

Einzig im Canyon des Valle de Ordesa findet man eine äußerst gut besuchte Hütte, welche abends regelmäßig zum Zelt- und Schauplatz einer Horde von Menschen unterschiedlichsten Alters und unterschiedlichster Bergtauglichkeit wird. Dort findet ein regelrechtes Zeltübernachtungsspektakel statt, das aber irgendwie schon wieder lustig und gesellig ist: Von japanischer Seniorengruppe bis hin zur spanischen Gangsterjugendfraktion war alles am Start. Abseits von diesem Trubel kann man dort zahlreiche Adler und Bartgeier beim schwerelos anmutenden Treiben über das Tal beobachten. Sehr beeindruckend!

Die Einsamkeit der Pyrenäen wurde uns dann auch schlagartig vor Augen geführt, als wir Zeuge eines Absturzes im steilen und verblockten alpinen Gelände wurden. Schnell war klar, dass die Netzabdeckung nicht vergleichbar mit unseren Alpen ist. Hilfe zu holen, bedeutet einen Marsch von einigen Stunden. Für alle Beteiligten, allen voran die Schwerverletzte, ein unschönes Erlebnis. Abends erfuhren wir zu unserer Beruhigung, dass die Verletzte nach mehreren Stunden Warten letztlich noch vor Sonnenuntergang mit dem Helikopter abgeholt wurde.

Nach zehn anstrengenden, aber wunderschönen und sonnigen Tagen kamen wir in Benasque an. Dort bietet sich noch einmal ein abschließender Blick auf die höchsten Berge der spanischen Pyrenäen, welche zum Teil auch noch vergletschert sind. Aber auch dort hinterlässt der Klimawandel verheerende Spuren.

Zuhause angekommen waren sie wieder da, die Fragen der Kollegen: „Und, wie wars bei euch so?“ Guten Gewissens und ganz ohne Entschuldigung konnten wir diesmal antworten: „Einmalig war es, gerne wieder Europa und auch gerne wieder Pyrenäen!“

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