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Schneegestöber

SchneeGestöber 2 2023/24 | Lawinen im Wald

Der Irrglaube an Sicherheit im Wald

von Vinzent Letzner ‱ 24.02.2024
„Im Wald wird schon nix passieren.“ – Das ist vermutlich einer der weitverbreitetsten IrrtĂŒmer unter SkifahrernInnen. Es stimmt, dass statistisch weniger LawinenunfĂ€lle im Wald auftreten. Wer sich jedoch in falscher Sicherheit wiegt, geht unbewusst ein hohes Risiko ein. Im heutigen Gestöber schauen wir uns daher an, wie der Wald die SchneedeckenstabilitĂ€t beeinflusst und was SkifahrerInnen zu beachten haben.

Einfluss des Waldes auf die SchneedeckenstabilitÀt 

In der Tat unterscheidet sich die Schneedecke im Wald hÀufig sehr von der im umliegenden freien GelÀnde. Je nach Art, Dichte, Alter und Zusammensetzung des Waldes ist dieser Unterschied verschieden stark ausgeprÀgt. 

Einer der offensichtlichsten Einflussfaktoren ist die Schneeinterzeption. Diese beschreibt den Effekt der Baumkronen, die einen Teil des Schnees auffangen wĂ€hrend es schneit. In den BĂ€umen sublimiert der Schnee – er geht also direkt vom festen in den gasförmigen Zustand ĂŒber – oder er fĂ€llt in Form von Schneeklumpen oder Schmelzwasser zu Boden. Durch die Schneeinterzeption ist die Schneedecke im Wald oft weniger mĂ€chtig und die Schichten sind weniger strukturiert. Die Schichten sind heterogener, da sie durch herunterfallenden Schnee gebrochen werden. Je nach Waldtyp kann die Menge des auf den Boden fallenden Schnees um 10–50 % geringer sein als im angrenzenden baumfreien GelĂ€nde. ImmergrĂŒne NadelbĂ€ume, wie die in den Alpen weit verbreitete Waldkiefer, weisen dabei eine höhere Interzeptionsrate auf als winterkarge LaubbĂ€ume. In einem lichtbewachsenen Laubwald weicht die Schneedeckenstruktur oft nur leicht vom angrenzenden Freiland ab. 

Ein weiterer Einflussfaktor auf die Schneedecke ist die Dichte des Waldes. Egal ob Nadel- oder Laubbaum, die StĂ€mme können in beiden FĂ€llen stĂŒtzend auf die Schneedecke wirken. Allerdings kann man erst von einer vollstĂ€ndigen StĂŒtzwirkung sprechen, wenn die Dichte der BĂ€ume das Skifahren quasi unmöglich macht. Um LawinenbrĂŒche im Wald zu verhindern, können je nach Hangneigung bis zu 1000 StĂ€mme pro Hektar notwendig sein.  

Ein dichter Wald stellt zudem eine Barriere fĂŒr den Wind dar. Schneeverfrachtungen und folglich gebundene Schneeschichten, auch bekannt als Triebschnee, treten damit seltener auf. In Rinnen und Mulden im Wald akkumuliert auf Grund der Schneeinterzeption und der geringeren Schneeverfrachtung weniger Schnee als in waldfreien Gebieten.  

Das im Wald vorhandene Mikroklima beeinflusst ebenfalls die SchneedeckenstabilitĂ€t. Der durch die BĂ€ume gespendete Schatten verringert die ErwĂ€rmung der Schneedecke im Tagesverlauf. Der Unterschied zum Freiland kann hierbei bis zu vier Grad ausmachen. Gleichzeitig erwĂ€rmen sich die BĂ€ume im Laufe des Tages und geben nachts WĂ€rmeenergie ab. Die nĂ€chtliche Temperatur kann somit im Wald bis zu einem Grad höher sein. Dieses Mikroklima verringert die Wahrscheinlichkeit fĂŒr die Bildung von OberflĂ€chenreif, eine der tĂŒckischsten Schwachschichten.  

Generell bietet der Wald also viel Potenzial fĂŒr stabile VerhĂ€ltnisse. Seine Struktur erhöht die Bodenrauigkeit und er bildet somit einen Widerstand fĂŒr hangabwĂ€rtsgleitenden Schnee. Dennoch ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass man auch hier sĂ€mtlichen Lawinenrisiken ausgesetzt sein kann und man sich dementsprechend verhalten sollte. Unter UmstĂ€nden kann der Wald die Lawinengefahr sogar erhöhen. 

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Einflussfaktoren auf Waldlawinen 

Alle im Wald angerissenen Lawinen werden als Waldlawinen zusammengefasst. Eine Analyse des SLF hat zwei typische Wetterszenarien ermitteln können, die allgemein die Lawinengefahr erhöhen, bei denen jedoch der Wald besonders wenig Schutz bietet: Schneit es innerhalb von drei Tagen mehr als 50 cm, in Zusammenhang mit starkem Wind und durchgehend kalten Temperaturen, kann es zu Neuschneelawinen kommen. Der Neuschnee verbindet sich aufgrund der geringen Strahlungsenergie der Sonne und den niedrigen Temperaturen nicht gut mit dem Altschnee und der Umwandlungseffekt ist gehemmt. Neuschneelawinen sind gÀngige Waldlawinen, da sie auch in kleineren Waldlichtungen abgehen können, meist in subalpinen, nordexponierten WÀldern. Zweitens konnten vermehrt Alt- und Nassschnee-Waldlawinen beobachten werden. Diese Treten bei einer Kombination aus einer stark ausgeprÀgten Schneedecke und steigenden Temperaturen und somit einer Durchfeuchtung der Schneedecke auf.

UnabhĂ€ngig von meteorologischen Faktoren kann ein bewaldetes Gebiet punktuell die Lawinengefahr erhöhen. Niedrige BĂ€ume, die vollstĂ€ndig von der Schneedecke bedeckt sind und zu Boden gedrĂŒckt werden, können das Anbrechen von Lawinen begĂŒnstigen, wenn sich die biegsamen Äste plötzlich aufrichten. Außerdem ist die Bildung von Tiefenreif an diesen Stellen oft ausgeprĂ€gt. Erst wenn ein Baum die Schneedecke durchstĂ¶ĂŸt, kann er eine stĂŒtzende Wirkung haben. Zudem können Waldlichtungen zu Windzirkulationen fĂŒhren, die erhöhte Schneeakkumulation mit sich bringen und somit eine typische Triebschneesituation hervorrufen, die Schneebrettlawinen begĂŒnstigt. 

Wenn man im Wald in eine Lawine gerÀt, kann es oft sehr viel folgenschwerer enden als im Freiland, da die Verletzungsgefahr durch BÀume sehr hoch ist.

Was ich zu beachten habe 

Generell gilt: Wer im Wald fĂ€hrt, ist nicht vor Lawinen geschĂŒtzt, auch wenn der Wald teils stabilisierend auf die Schneedecke wirkt und den Wind abschwĂ€cht. Um die Gefahr hier genau einschĂ€tzen zu können, bedarf es also einer rationalen und vollstĂ€ndigen GelĂ€ndebeurteilung. Besonders Lichtungen sind mit erhöhter Vorsicht zu durchqueren, da hier die Schutzwirkung stark verringert sein kann. Bei erheblicher oder großer Lawinengefahr sollte man sich sorgfĂ€ltig mit der Situation auseinandersetzen, denn nur in den Wald ausweichen bedeutet nicht in jedem Fall eine Risikominimierung. 

Wie auch im offenen GelÀnde sollten Routen mit Bedacht gewÀhlt, das GelÀnde interpretiert, und auf Wumm-GerÀusche geachtet werden.

 

Quellen:  

  1. Margreth, Stefan. "Die Wirkung des Waldes bei Lawinen." Forum fĂŒr Wissen. Vol. 2004. 2004. 

  2. Teich, M., Marty, C., Gollut, C., GrĂȘt-Regamey, A., & Bebi, P. “ Snow and weather conditions associated with avalanche releases in forests: Rare situations with decreasing trends during the last 41 years.”  Cold Regions Science and Technology, 83-84, 77-88 2012 

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