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WetterBlog 16 2020/21 | Wetterlagen und Klimawandel

Was passiert mit dem Wetter, wenn sich das Klima verändert?

von Lea Hartl 03.03.2021
Letzte Woche erhielt der WetterBlog folgende Userfrage: "Wie hängen Wetterlagen und Klimaerwärmung zusammen? Nimmt in Zeiten der Klimaerwärmung die Häufigkeit der warmen Wetterlagen zu? Oder ist die Häufigkeit der verschiedenen Wetterlagen gleich geblieben, aber sie sind alle wärmer geworden?"

Diese und ähnliche Fragen tauchen gefühlt immer dann vermehrt auf, wenn sich beim Wetter länger nichts tut und es wochenlang warm und sonnig ist. Befassen wir uns also diese Woche etwas genauer damit!

Der Jetstream und das Wetter

Zunächst sollte man wahrscheinlich anmerken, dass die jüngste Runde medialer Diskussionen zum Thema nicht aufkam, weil es warm und sonnig war. Ganz im Gegenteil: Der extreme Wintereinbruch in den USA, der vor allem in Texas zu weitreichenden, katastrophalen Versorgungsproblemen (Strom, Wasser) führte, wurde vielfach auch in Zusammenhang mit der Klimaerwärmung und Veränderungen des Jetstreams gebracht. Stark verkürzt funktioniert die Logik dabei wie folgt: Da die Arktis deutlich kälter ist als die mittleren Breiten, entsteht dazwischen eine markante Luftmassengrenze, an der sich der für uns sehr wetterbestimmende Jetstream formiert. Die Klimaerwärmung schreitet in der Arktis schneller voran als in den mittleren Breiten (Arctic Amplification). Dadurch wird der Temperaturunterschied zwischen hohen und mittleren Breiten kleiner. Das könnte zur Folge haben, dass der Polarwirbel schwächer wird und der Jetstream öfter in großen, Nord-Süd orientieren Wellen „schlingert“, anstatt sich als zonales (West-Ost) Band um einen runden Polarwirbel zu legen.

Im Winter 20/21 hatten wir schon einige dieser schlingernden, lang anhaltenden Wetterlagen. Dabei muss es nicht wie derzeit warm und sonnig sein – jeder Wellenkamm hat schließlich auch ein Wellental, siehe die Ereignisse in Texas, oder auch die Kälteperiode in Mitteleuropa vor einigen Wochen. Gemeinsam haben die meriodionalen, „blockierenden“ Wetterlagen, dass sie sich über längere Zeiträume kaum verändern. Bei klassischem Westwetter hingegen ist der Jetstream über dem Atlantik stark zonal und bringt in vergleichsweise rascher Folge immer neue Störungen, die sich mit kurzen Hochdruckperioden abwechseln. Der Winter 19/20 war eher zonal geprägt, mit einem über lange Phasen sehr kräftigem, runden Polarwirbel und sehr mildem, wechselhaftem Berglandwinter, sowie längeren sonnigen Perioden, in denen der Jetstream zwar kräftig wehte, aber deutlich nördlich des Alpenraums lag.

Wir sehen also: Milde Wetterlagen können sowohl zonal als auch meridional sein. Meridionale Wetterlagen (schlingernder Jetstream) können sehr warm oder aber auch sehr kalt sein, je nach dem wie die Welle genau zu liegen kommt. Wenn nun der Polarwirbel schwächer wird und der Jetstream öfter schlingert, wäre in der Folge zu erwarten, dass es öfter zu solchen meridionalen, warmen oder kalten, Lagen kommt.

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Ändert sich der Jetstream wirklich?

Soweit die durchaus schlüssige Theorie, mit der man viele Wetterlagen indirekt dem Klimawandel anlasten kann. Von etwa Mitte der 1980er Jahre bis ca. 2010 sieht man eine einigermaßen deutliche Zunahme meridionaler Wetterlagen in den entsprechenden Daten. Diese Veränderung in den beobachteten Daten wollte natürlich erklärt werden und war ausschlaggebend für viel der momentan in diesem Bereich stattfindenden Forschung. Der beobachtete Trend scheint sich in der vergangenen Dekade allerdings nicht mehr wirklich fortzusetzen. 20 bis 30 Jahre sind für die Analyse von Klimaveränderungen außerdem grenzwertig kurz. Die Datenlage ist also etwas schwammig: Wie sehen ein gewisses Signal, was auch keiner bestreitet, aber ob es sich dabei um eine systemische Veränderung handelt oder um natürliche Variabilität (der „Zufall“ des Wetters), ist nicht eindeutig.

Wenn man die Prozesse verstehen will, die den beobachteten Daten zu Grunde liegen, sind mathematische Modelle das Mittel der Wahl. Wir kennen die Ausgangslage und wir kennen die Gleichungen, denen die Atmosphäre gehorcht. Damit können wir in globalen Klimamodellen ausrechnen, was passiert, wenn die Arktis wärmer wird. Diese Modelle funktionieren mittlerweile ziemlich gut und wir können mit einiger Berechtigung erwarten, dass sie den Einfluss der Erwärmung in der Arktis auf das Wetter der mittleren Breiten sehen würden, wenn er denn so stattfindet wie wir uns das zurecht gelegt haben. Verschiedene Modellstudien kommen dahingehend aber zu unterschiedlichen Ergebnissen. Manche sehen nichts, was über die zu erwartende Variabilität hinaus geht, andere hingegen schon, vor allem im Sommer. Es gibt bislang wenige Studien speziell zu dieser Fragestellung, in denen die Prozesse der Atmosphäre detailliert an jene der Ozeane gekoppelt werden, was besonders hinsichtlich Meereis interessant wäre. Auch ist die Rolle der Stratosphäre (über der Troposphäre, in der sich unser Wetter abspielt) noch unklar. 

Auf Englisch gibt es den treffenden Spruch: "Absence of evidence is not evidence of absence" - in etwa: ein Mangel an Beweisen für die Existenz von etwas ist kein Beweis dafür, dass es nicht existiert. Damit lässt sich das Thema Arktis-Jetstream-Wetter in Mitteleuropa ganz gut zusammenfassen. Vielleicht ist der Zusammenhang da, aber wenn, dann sehen wir ihn noch nicht deutlich genug, um sicher sein zu können.

Im Kontext von Klimawandelrisiko und -anpassungsmaßnahmen ist es natürlich ein großer Unterschied, ob man die Veränderungen nicht kennt, oder weiß, dass sich nichts verändert (umfassender Twitter Thread). Entsprechend arbeitet die Wissenschaft momentan recht intensiv an diesem Thema. Ideen werden entwickelt, überprüft und wen nötig wieder verworfen. Letzteres bedeutet nicht, dass jemand etwas falsch gemacht hat – das gehört zum wissenschaftlichen Prozess.

Zum Weiterlesen (Studien auf English):

Beobachtete Veränderungen in den letzten Jahren: Kein eindeutiger Trend.

Kalte Winter in Europa vmtl. eher Resultat von Variabilität, nicht von veränderter Dynamik

Modelle uneinig bzgl. Frequenz persistenter Wetterlagen

Veränderungen im Sommer evtl. ausgeprägter?

Trockenheit und Extremniederschlag häufiger

Etwas klarer ist die Lage bei anderen Wetteränderungen: Hitzewellen und Trockenheit nehmen zu, vor allem in immer schon eher heißen, trockenen Regionen. Starkniederschlag tritt tendenziell ebenfalls häufiger auf. Und natürlich: Es wird generell wärmer. Wie schnell und wie stark ist je nach Region und Jahreszeit unterschiedlich. Ein Zusammenhang mit der Höhenlage ist wahrscheinlich (Elevation Dependent Warming), aber das ist dann wieder ein Bereich mit größeren Unsicherheiten.

Kommen wir zurück zu den Eingangsfragen: Werden milde Wetterlagen generell häufiger, oder werden nur alle Wetterlagen milder? Ersteres wissen wir nicht so genau, letzteres trifft pauschal betrachtet zu.

Und das Wetter?

Der ungetrübte Sonnenschein geht zu Ende. Am Donnerstag passiert noch nicht viel, aber es nähert sich aus NW eine Kaltfront, die in der Nacht auf Freitag den Alpenraum erreicht und im Norden auch ein bisschen Schnee bringt. Der Niederschlag klingt vermutlich bis Mittag ab und es lockert schnell wieder auf, allerdings bei kühleren, "jahreszeittypischen" Temperaturen und immer wieder auch Wolken oder sogar ein paar Schauern. Wer schon in Versuchung ist, der Garten zu bepflanzen, sollte noch etwas warten...

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