Georgien ist ein grandioses Land mit einer beeindruckenden Bergwelt und super freundlichen Menschen. Ein wildes Land, Kinkali, Tcha Tcha – und eine riesige Spielwiese für Bergfreunde und Alpinisten im Sommer wie im Winter. Das sind, vorab, ein paar kurze Worte, die unsere Erlebnisse während unserer zwei Wochen dauernden Reise von Tiflis nach Ushguli zusammenfassen…
Nach langer Reisezeit endlich am Airport Tiflis angekommen, kann man sich eigentlich nicht verlaufen: er ist sehr übersichtlich. Daher dauert es auch nicht lange, bis wir unser Mietauto, einen fast neuwertigen Isuzu Rodeo V6 finden (der erste Eindruck trügt, aber dazu später mehr). Schnell unsere gesamte Ausrüstung verstaut und dann geht es auch schon los. Wir wollen noch rund zwei Stunden fahren und dann ein Quartier beziehen. Und da es schon spät ist, wollen wir darauf verzichten die unwegsamen und unsicheren Straßen im Dunkeln noch unsicherer zu machen.
Bereits bei der ersten Bodenwelle grüßt der Stoßdämpfer am Anschlag mit einem dumpfen Knall und wir wissen von nun an, dass wir die zahlreichen Schlaglöcher gut im Auge haben müssen. Vorausschauendes Fahren ist hier ohnehin eine besonders sinnvolle Idee, denn oftmals kann ein Loch auf der Straße (auch auf der Autobahn) auftauchen, in dem man problemlos einen Fußball verstecken kann. Nach einer Stunde Fahrt und ein wenig Ratlosigkeit in Bezug auf unsere derzeitige Position auf der Karte ist es an der Zeit noch vor Ladenschluss etwas einkaufen zu gehen. Wir fahren also in die nächste größere Stadt und in eine riesige Shoppingmall: sie hieß Tbilisimall. Jetzt wissen wir auch wo wir sind. Wir haben es tatsächlich geschafft in eineinhalb Stunden einmal um die Stadt einen Kreis zu fahren. Wie auch immer, das volle Auto wurde noch voller, mit lauter leckeren Sachen, die wir sonst nicht mehr bekommen hätten. So bepackt, kann es nun wirklich losgehen. Die Augen werden immer müder und wir halten Ausschau nach einem geeigneten Nachtlager, was bei Dunkelheit in einem völlig fremden Land nie einfach ist und mit den Hunden der Einheimischen zweimal nicht (aber auch dazu später mehr). Der gefundene Platz war letztendlich gar nicht so schlecht und nach einer kleinen Flasche Geburtstagswodka im Zelt erlöschen die Lichter auch bei uns.
Aufgewacht sind wir in einer Schlucht, unweit der Straße, die uns nach Kutaisi, Zugdidi und dem Etappenziel Mestia bringen sollte. Hat man sich erst mal an die georgischen Straßenverhältnisse und die dortige Fahrweise gewöhnt, lässt die Anspannung nach und Urlaubsgefühle machen sich breit. Spannender wird es dann wieder auf der Passstraße von Zugdidi nach Mestia, denn Steinschlagnetze, Hangbefestigungen oder sonstigen Straßenschutz sucht man hier vergebens. So liegt jede Menge Geröll verschiedenster Größen auf der Straße, weshalb man äußerst vorsichtig und vorrausschauend um die Kurven fahren sollte. In Mestia angekommen, haben wir schnell ein günstigstes Hostel gefunden und freuen uns auf eine Dusche. Die ist allerdings extrem kalt (so wie alles andere auch) und somit verzichten wir gerne darauf. Unser Versuch mit der Vermieterin eine sprachliche Verständigungsebene zu finden, misslingt zwar grundsätzlich, aber mit Hilfe von Schweizer Schoggi und viel Gestikulieren, hilft sie uns bei dem Telefonat mit der Autovermietung. Denn die abgefahrenen Sommerreifen, gepaart mit den nicht passenden Schneeketten sind ein eine ganz schlechte Kombination für einen halben Meter Neuschnee. Die passenden wurden uns am nächsten Tag per Maschrutka (öffentlicher Bus und Postauto) aus Kutaisi geliefert und wir durften uns solange mit dem Taxi ins Skigebiet befördern lassen. Das Tagesticket für das Skigebiet kostet günstige acht Euro, die man bezahlen kann, oder man geht gleich so an dem Drehkreuz vorbei. Für den gleichen Preis kann man sich auch für einen Tag eine antiquarische Skiausrüstung ausleihen, wir bevorzugen jedoch das eigene Material. Wenigstens für zwei Abfahrten: denn dann öffnet sich hinter einer Kuppe im Wald vor mit unmittel ein Loch, in dem zu meinem Unglück quer ein Baum liegt. Meine Ski finden den Baum anziehender und mich fegt es wenig elegant darüber.
Jetzt habe ich einen schwerst gerockerten Ski. Soll das bereits das Ende meines Skitrips sein? Denn wo bitte finde ich hier in Mestia eine Powderlatte mit Tourenbindung? Doch es wäre nicht Georgien-Style, wenn nicht Lary um die Ecke gekommen wäre und mir seinen Obseth mit Baron-Bindung und Fellen leihen würde. Lary ist einer der wenigen Offpistefahrer und Local-Guides hier und seine Führersaison ist bereits vorbei. Ich solle den Ski einfach nutzen, solange ich ihn brauche; ich schenke ihm schon mal vorab meinen Ski und die Felle. Die Duke und Felle sind hier Gold wert und somit sind beide happy… Nach einem unglaublich guten Kubdari (Fleischtasche) in der Bergstation machen wir uns auf dem Weg zum letzten Run und Sundowner, welchen wir mit einer guten Stunde laufen erreichen. Dieser beglückte uns mit besten Powder und tollem abwechslungsreichem Gelände und einem schon fast mystischen Farbenspiel am Himmel. Mit den bisherigen Erlebnissen und den passenden Schneeketten im Gepäck, setzen wir unseren Trip voller Vorfreude in Richtung Ushguli fort.
Die 46 Kilometer Weg von Mestia nach Ushguli hören sich kurz an und nach einem Besuch im nächsten Dörfchen um die Ecke. Dem ist allerdings nicht so. Wir benötigen gute drei Stunden intensives Fahrerlebnis mit Neuschnee, Festfahren, graben, schieben, Kühen, Steinschlag, Baumstämmen, Reitern, unwegsamen Gelände und runtergerockten Stoßdämpfern. Kurzum: eine kurzweilige Fahrt voller Spaß. Auf dem zu überquerenden Pass dachten wir dann, es sei nach all den Strapazen eine gute Idee, uns ein wenig die Beine mit einer Skitour zu vertreten. Das Beine-Vertreten hat ganz gut funktioniert, der Abfahrtsrausch hielt sich eher in Grenzen und war weniger zu empfehlen. Auf jeden Fall zu empfehlen ist allerdings immer eine ausgedehnte Brotzeit und einen Kaffee und beide genießen wir somit gleich auf dem Pass. Da Ushguli im Winter den Talschluss darstellt, gibt es auf der schmalen Straße auch nahezu keinen Gegenverkehr, bei uns beschränkt sich der Gegenverkehr auf ein einziges Auto (oder so etwas ähnliches, da fuhr). Ist man erst mal dort, ist es, als wenn die Zeit stehengeblieben wäre. Ein Dörfchen so schön wie aus dem Bilderbuch und das Guesthouse Rhio wie bei Muttern. Wir hatten schon wildeste Geschichten von dem kurz zuvor passierten Lawinenunglück gehört, das dramatischer Weise vier Todesopfer forderte. Zwar gehört, aber dennoch so fern. Als ich mich zur Registrierung beim Militär in das Buch eintragen müssen und die verunfallten Namen ein paar Zeilen untendrunter lese, läuft es mir aber dann doch kalt den Rücken runter. Wir sind gewarnt und schon vor der ersten Tour sehr defensiv eingestellt.
Eigentlich sollte es nicht von Nöten sein solche Worte in einem solchen Bericht zu schreiben, aber möglicherweise lesen auch Wintersportler unseren Report, die über wenig Erfahrung verfügen und für die dieser Tipp ein wichtiger Hinweis sein könnte: Vergesst alles über Rettung, was ihr aus dem Alpenraum kennt, außer euren Kollegen, denn mehr gibt es nicht. Der Helikopter (wenn es denn einen gibt) oder die semi-professionelle Rettungstruppe wird euch höchstwahrscheinlich nicht helfen können. Man wird lediglich dafür sorgen können, dass ihr nicht vor Ort eure letzte Ruhestätte findet. Ushguli ist autofrei und somit müssen wir unser Gepäck vom Ende der Straße durch das ganze Örtchen tragen. An sich harmlos, aber durch den von der Sonne aufgeweichten Dung-Urin-Matsch-Boden ziemlich anstrengend. Herrlich, aber das gehört einfach dazu. Das Essen von Gulo unserem Wirt ist der Hammer und füllt jeden noch so hungrigen Magen. Lustig wird’s immer wieder auf Grund der Verständigungsprobleme: Beispielsweise baten wir nachmittags nach der Skitour um einen kleinen Happen, der dann allerdings schon als Abendessen reicht. Dem guten Gulo erklären wir dann, dass das Frühstück am nächsten Tag für uns um acht Uhr super wäre. Doch um 20 Uhr abends klopft er an unsere Zimmertüren, um zum üppigen Abendessen aufzufordern. Na ja, das sind die kleinen Sprachprobleme, aber von dem leckeren Essen kann man auch nicht genug bekommen. Danach hilft nur ein Schuss aus der mit Cognac gefüllten Glasknarre, die man sich auf jeden Fall in Mestia kaufen sollte (beim kleinen Straßenladen am Ortseingang links, hinter der Tankstelle), wahlweise tut es auch das Glasherz, oder der Glas High Heel… wir haben das komplette Sortiment des Spiritosenanbieters ausprobiert.
Das Leben in Ushguli ist wunderschön, und äußerst einfach: Plumpsklo, waschen am Brunnen und wenn die Sonne untergeht ist Schlafenszeit. Schön ist auch, dass es meistens keinen Strom und damit auch keinen Handyempfang gibt; zwangsweise reduziert sich das Leben auf die wichtigsten Dinge des Lebens. Unsere erste Tour machen wir auf einem Berg, den wir uns am Abend zuvor bei Sonnenuntergang und einer Flasche Bier auf der Veranda angeschaut haben. Nichts spektakuläres, mal abgesehen von den kaukasischen Hütehunden, die uns früh morgens in dem verlassenen Städtchen fast zerfleischen. Das gebuddelte Schneeprofil sagt zwar nur sehr punktuell etwas über die Schneebeschaffenheit, aber bestätigt ein weiteres Mal die Vermutung, dass an die zahlreichen genialen Lines dieses Gebiets in diesem Winter nicht mehr zu denken brauchen. Dennoch finden wir eine schöne Abfahrt mit einem längeren Fußmarsch zurück zum Guesthouse. Der längere Fußmarsch, oder besser das Workout haben wir dann wieder den Hunden zu verdanken, die uns schon bei der Annäherung an unser Auto nicht gerade einladend entgegenkommen. Das Militär bekundet Anerkennung nach unserer Rückkehr, schließlich haben sie nichts anderes zu tun, als den ganzen Tag zu rauchen, zu sitzen und mit dem Feldstecher auf die umliegende Bergwelt zu schauen.
Dann ist es so weit und wir machen uns zu einem mehrtägigen Biwak auf, fern ab vom eh schon winzigen Dorf in Ushguli. Auf dem zweistündigem Weg fallen uns die vielen extrem große Hundespuren auf. Was wir dann aber treffen, ist kein Hund, sondern stattdessen ein ausgewachsener Wolf. Unsere Befürchtungen, dass wir unser Essen vergraben müssen und ähnliche Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen, erweisen sich jedoch als unbegründet, es sollte (glücklicherweise) die einzige Begegnung bleiben. Bei der Ankunft checkt Benni und ich bei einer kleinen Skitour die Gegend und Gegebenheiten und Stephan richtet einen vorzüglichen Lagerplatz her. Nach der Rückkehr genießen wir die Sonne (können ja auch nicht anders tun), das Essen, das Kartenspielen… ja eigentlich einfach nur das Dasein. Wir passen uns sogleich an die Natur an und nach dem Sonnenuntergang gehen bei uns die Zeltreißverschlüsse zu. Der Morgen empfängt uns mit kalten Skischuhen und mit Trockenfutter Spaghetti Carbonara; eine Kombination, die sich während der kommenden Tage als gelungen erweist.
Das Tagesziel ist der Gipfel „lieber feucht als trocken 3.105“, von dem wir eine wider erwarten sehr rassige aber dennoch risikoarme Abfahrt genießen. Na ja und wenn man wieder früh am Zelt ist, kann man auch viel machen. Wir genießen ein kleines Bad in der örtlichen Badeanstalt, war der letzte Wasserkontakt doch schon ein paar Tage her. Und meist ist es doch so: egal wo man ist, es ist immer mal noch jemand anderes da. In unserem Fall ein Georgier und ein Schwede, die mit nichts anderem Bekleidet als mit einer Unterhose an uns vorbeirauschen und für einen Monat auf Skiwanderung sind… Zum Abend gibt es noch eine kleine Sundowner-Skitour, die uns dann bald wieder glücklich einschlummern lässt.
So vergeht die Zeit und viel zu schnell kommt die Aufbruchszeit und wir wieder auf dem „lieber feucht als trocken 3.105“ und dann auf dem Grat weiter bis zu dem Gipfel „zur Wolfsklause“. Wir haben uns die Gegebenheiten zwar auf der „Karte“ vorher angeschaut, aber vor Ort sieht alles wieder ein wenig anders aus und so ergibt sich eine interessante Wegfindung bei unterschiedlichsten Schneeverhältnisse. Gegroundet sind wir im Talschluss und haben einen weiten Rückweg nach Ushguli mit aufregenden Flussdurchquerungen, Dachsen und der erbarmungslos brennenden Sonne vor uns. Die ersten Türme von Ushguli sind bereits wieder zu sehen, als meine Ohren ein knallendes Geräusch wahrnehmen. Na ja, „erst wenn’s zischt ist’s nimma guat“! Das tut es dann auch bald. Das Militär hat also doch noch einen anderen Zeitvertreib als in die Berge zu glotzen: nämlich Schießübungen. Aber auch diese überstehen wir und wollen nur noch raus aus den Schuhen und endlich etwas Vernünftiges zu essen – und ein paar Biere. Nach einer von Hundegebell begleiteten Nacht und einem Besuch im örtlichen Museum ist es wieder an der Zeit nach Mestia aufzubrechen. So lautet unser Plan. Jetzt ein kleiner Zeitraffer…
Anlasser kaputt, vor Ort „repariert“, in the middle of nowhere liegen geblieben, Schneetreiben, Nudeln gekocht, Bier getrunken, Karten gespielt, dunkel, im Laderaum von einem Gemüse-Tier-Allestransporter gen Mestia…Das Guesthouse in Ushguli um neun Uhr morgens verlassen, angekommen in Mestia, um halb eins Nachts (für 46 Kilometer!). Als Entschädigung gibt es von der Autovermietung einen ultra dicken V8 Land Rover, der aber außer einen Haufen Benzin aus dem Tank zu saugen relativ wenig kann, aber gut, wir waren wieder mobil, wenn auch auf Sommerreifen. Unsere Locals sind ebenso happy uns zu treffen, wie wir sie; so kommen wir in den Genuss von selbstgemachten Wein, 60 Prozent starkem Pfirsichschnaps und einen grandiosen Abend mit Freunden. Anstatt wie gedacht noch ans Schwarze Meer zu fahren, entschließen wir uns auf Grund der freudeverheißenden Neuschneeprognose zu bleiben, was uns grandiose Abschlusstage beschert.
Die Handvoll Offpistefahrer kennen wir ja mittlerweile und so sind es einfach nur „friends on powderdays“. Die Tage und vor allem die Abende werden immer wilder und es ist gut, als wir nach einer Kinkalilesson die Heimfahrt nach Tiflis antreten. Im Gepäck haben wir die Erfahrungen und Eindrücke der absolut herzlichen und offenen Art der Locals und einer imposanten Bergwelt. Wieder in Tiflis gibt es nur noch einen sehr ausgiebigen Abend zu verbringen, was uns auch gelingt… Wer ist eigentlich nochmal Günter und wo ist eigentlich die Skybar? Doch das werden wir erst das nächste Mal klären können, genauso wie man zu dritt mit Skibags (ohne Dachträger) und sonstigem Geraffel mit einem VW Golf zum Flughafen fährt.
Allgemeine Infos und Nachtrag
Das Essen ist super lecker und bekömmlich, als Beilage zum Fleisch werden oft Kohl oder Hülsenfrüchte gereicht. Geselligkeit ist ein ganz wichtiges Thema und eine Supra – eine Art Bankett – sollte auf jeden Fall nicht fehlen. Es ist eh besser zusammenzurücken, da das Heizen der Räume sehr spartanisch ausfällt. Die Straßen sind okay, für das dortige Fahrverhalten, denn es stört keinen wenn man auch auf der Autobahn mal Schlangenlinien um die Schlaglöcher fährt. Ansonsten fahren die Georiger sehr rücksichtsvoll und jeder schaut nur was vor ihm passiert. Powder-Equipment ist Mangelware vor Ort und die Locals freuen sich riesig über Mitbringsel und sei es auch von bereits ausgemustertem Material.
Schlusswort
Ich möchte mich bei unserer Crew bedanken: das waren Hammer-Tage mit euch und wir hatten einen richtig guten Flow, ohne Ecken und Kanten. Ein Riesen-Dank gilt natürlich allen Locals, den beiden Annas und Lary: you are all amazing.