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Abenteuer & Reisen

TripReport Cordillera Blanca | 6.000er in Peru mit dem Snowboard - Teil II

Erlebnisbericht einer etwas anderen Skitourenreise

01.11.2025
Malte Hangler-Schulz
Bei der Suche nach geeigneten Zielen für einen Skitourenurlaub denkt man wohl kaum an Peru. Doch in der Cordillera Blanca, unweit des Äquators, liegen die größten tropischen Gletscherflächen der Welt. Unser Ziel: einige der beeindruckenden Fünf- und Sechstausender „by fair means“ – also ohne Guides und Träger – zu besteigen und abzufahren. Im zweiten Teil unseres Erlebnisberichts geht es weiter durch lange Zustiege, mit schweren Rucksäcken, in dünner Höhenluft – vorbei an imposanten Gletschern, inmitten völliger Einsamkeit und unberührter Natur. Eine Fortsetzung von Teil I, geprägt von verschwundenen Zelten, endlosen Anstiegen und herausfordernden Bedingungen.

Die vergangenen sechs Tage im Ishinca-Tal haben ganz schön an unseren Körpern gezehrt. Da wir uns durchgehend in Höhen zwischen 4.300 und 6.000 Metern aufgehalten haben und keinen erholsamen Schlaf gefunden haben, sind wir bei der Rückkehr nach Huaraz froh, „nur“ noch auf 3.000 Metern Höhe zu sein. Zunächst gilt es, wieder alles an nahrhaftem und fettigem Essen zu sich zu nehmen, das der Magen fasst. Anschließend schlafen wir gemütliche zwölf Stunden. Erstaunlich schnell fühlen wir uns wieder regeneriert und planen am zweiten Tag nach der Rückkehr unseren nächsten Trip. Das stabile Wetter und unsere gute Akklimatisierung möchten wir natürlich nutzen.

2. Trip: Nevado Copa – 5 Tage; Gipfel: Copa Centrale/Sur Skigipfel (6.153m), Copa Norte (6.173m)

Als Nächstes geht es direkt weiter zu unserem nächsten Ziel, dem Nevado Copa, einem skitauglichen 6.000er. Genau genommen sind es sogar zwei, denn sowohl der Südgipfel (Sur) als auch der Nordgipfel (Norte) bieten schönes Skigelände. Der Zustieg ist zwischendurch etwas spaltenreich, aber die Hangneigung überschreitet kaum die 40-Grad-Marke und liegt überwiegend sogar bei gemütlichen 25–30 Grad.

Einziger Nachteil ist der lange Zustieg. Dieses Mal sind es stolze 17 Kilometer und 2.100 Höhenmeter bis zum Gletscheranfang – und das nur für die einfache Wegstrecke! Für die erste Etappe zum Basislager auf 4.600 m können wir glücklicherweise auf die Unterstützung von Arriero Manuel und seinen Eseln zurückgreifen. Der Weg führt anfangs durch Eukalyptuswälder und wird zunehmend alpiner, je mehr Höhe wir gewinnen.

Das Basislager ist wunderschön: Es liegt malerisch auf einer Wiese unter einer Lagune, mit Blick auf das breite Tal und die Cordillera Negra („schwarze“ Gebirgskette) unten und auf die formschönen Eisspikes oberhalb von uns. Und wir haben den Berg ganz für uns allein! So früh in der Saison sind noch wenige Bergsteiger unterwegs.

Vom Basislager aus betrachten wir die weitere Route und blicken etwas besorgt zur Rinne, die uns am nächsten Tag zum Moränenlager führen soll. Normalerweise ist diese mit Eis und Schnee gefüllt. Aufgrund der miserablen Schneelage in diesem Jahr besteht die Rinne leider zum überwiegenden Teil nur aus losem Schotter und Fels. Schwer bepackt versuchen wir am darauffolgenden Tag unser Glück. Zunächst gehen wir weiter links in noch loserem Schotter, dann schließlich doch über den „normalen“ Weg, der uns über eine kurze Eisstufe und weiter durch bröseligen Fels und Schutt führt.

Auch die Gletscherzunge verfügt in diesem Jahr nicht über eine gemütliche Rampe aus Schnee, sondern nur über steiles Eis.
Da wir bestens über die Bedingungen informiert sind (O-Ton Casa de Guias: „Für den Nevado Copa braucht es überhaupt keine Eispickel.“), haben wir nur eine Mindestmenge an Eisschrauben dabei. Damit können wir die eine Länge nur schlecht absichern. Es wäre sowieso nicht empfehlenswert, in unsere 6 mm starke statische Rad-Line einen Vorstiegssturz reinzulegen.

Etwas erledigt vom doch mühsamen Zustieg schlagen wir auf 5.200 m endlich die Zelte auf. Ein kleiner Tümpel hat sich zwischen den Gletscherschliffplatten gehalten, sodass wir dank Wasserfilter zumindest das Schneeschmelzen erspart bleibt. Der Sonnenuntergang am Moränencamp ist gewaltig. Allerdings wird es dann doch ziemlich schnell kalt, sodass wir uns in die Schlafsäcke verkriechen.

Entspannt starten wir am nächsten Tag um 8 Uhr unsere Tour in Richtung Nordgipfel des Nevado Copa. Zumindest denken wir das, denn laut unserem Buch soll dies der linke der beiden sichtbaren Gipfel sein. Nach einigen Stunden Aufstieg über flache Gletscher und riesige Spaltenzonen bei eiskaltem Wind – eigentlich soll es laut Wetterbericht fast windstill sein – erreichen wir den Kamm in über 6.000 Metern Höhe und stellen fest, dass unser angepeilter Gipfel nur eine einfache Erhebung im Grat ist.

Wir wenden uns deshalb weiter in Richtung Südgipfel, der von unserem Standpunkt aus zum Greifen nahe erscheint. Doch der Schein trügt, denn es ist noch weiter als gedacht. Da der Hauptgipfel nur etwa 30 Höhenmeter höher gelegen wäre und wir eine lange Traverse hätten absolvieren müssen, beschließen wir, den Vorgipfel „Copa Centrale“ zu nennen und fahren von einer Höhe von 6.153 m ab – unsere erste Abfahrt von einem 6.000er! Mittlerweile ist es Mittagszeit und die westseitigen Hänge bieten wunderbaren Firn. Die fast 1.000 Höhenmeter Abfahrt sind ein wahrer Genuss und zählen wahrscheinlich zu den längsten Abfahrten, die in Peru möglich sind.

Zurück am Camp dann der Schock: Dominiks Zelt steht nicht mehr an seinem angestammten Platz. Der Wind hat es mitsamt Inhalt (Isomatte, Schlafsack, Proviant) davongeweht. Sofort gehen wir auf die Suche, denn für einen Abstieg ist es eigentlich schon zu spät und zu dritt im verbleibenden Zweimannzelt mit nur zwei Schlafsäcken wäre es doch etwas kuschelig. Zum Glück finden wir es nach kurzer Suche in einer Randspalte 100 Höhenmeter weiter unten und können es bergen. Das Außenzelt ist etwas eingerissen und das Gestänge leicht verbogen, aber ansonsten haben das Zelt und dessen Inhalt den Flug gut überstanden. Noch mal Glück gehabt!

Für den kommenden Tag klingelt unser Wecker etwas früher, denn wir wollen einen weiteren Gipfel besteigen und anschließend ins Basislager zurückkehren. Es ist eisig kalt im Dunkeln und ich merke in der Nacht, dass sich möglicherweise ein grippaler Infekt anbahnt. Trotzdem erreichen wir sehr langsam und erschöpft noch vor der geplanten Umkehrzeit um 12 Uhr den Gipfel – dieses Mal den richtigen Copa Norte mit einer Gipfelhöhe von 6.177 Metern.

Die Aussicht ist unglaublich, und wir können immer noch kaum fassen, dass wir die einzigen Menschen inmitten dieser riesigen Gletscherflächen sind. Der Schnee ist um kurz nach 12 Uhr immer noch hart, bedingt durch die Kälte und den Wind. Aber wir können leider nicht länger auf ein Auffirnen warten. So geht es erneut 1.000 Höhenmeter zurück ins Moränencamp. Die untersten 150 Höhenmeter legen wir auf Blankeis zurück. Im Camp machen wir nur eine kurze Pause und packen unser gesamtes Material zusammen, denn der mühsamste Teil der Tour steht uns noch bevor: der Abstieg durch den Schotter- und Bröselhaufen zurück zum Basislager.

Wir versuchen es zunächst durch eine Rinne weiter links, doch die gesamte Rinne ist brüchiger als unsere Aufstiegsvariante. So müssen wir mit schweren Rücksäcken noch mal 150 Höhenmeter zurück aufsteigen, was mir die letzten Kräfte raubt. Schlussendlich seilen wir uns an eher fragwürdigen Sicherungspunkten unsere Aufstiegsvariante hinab. Nach vier Abseillängen stehen wir endlich wieder auf halbwegs sicherem Boden.

Meine Erschöpfung und Krankheit machen sich immer mehr bemerkbar, sodass in kürzester Zeit sowohl das Handy als auch ein Stock zu Bruch gehen. Paul kommt mir zu Hilfe, erleichtert mich um etwas Gepäck und bringt mir eine rettende Dosis Inca Kola.

Im Basislager angekommen, sehen wir, dass inzwischen auch eine andere Gruppe eingetroffen ist. Wir erleben den Kontrast zu unserem Begehungsstil: Für eine einzige geführte Zweiergruppe befindet sich dort nicht nur eine Vielzahl an Zelten (mehrere Schlafzelte, ein Kochzelt, ein Essenszelt, ein Klozelt), sondern auch das dazugehörige „Personal“ (Guide, mehrere Träger, Koch). Wir sind froh, dass wir in den vorangegangenen Tagen noch die komplette Ruhe am Berg hatten, und fallen nach diesem Wahnsinnstag erschöpft ins Zelt. Aufgrund von Fieber schlafe ich in der Nacht allerdings kaum und freue mich sehr auf ein richtiges Bett in Huaraz.

Manuel und seine Esel holen uns am kommenden Morgen pünktlich ab, sodass wir zwar geschwächt, aber zumindest mit leichtem Gepäck ins Tal zurückkehren.

3. Trip: Chopicalqui (6354m) - 4 Tage - Ohne Ski und ohne Gipfelerfolg

Zurück im Tal holt uns ein grippaler Infekt ein, sodass wir es erst einmal ein paar Tage gemütlicher angehen müssen. Für unser letztes Ziel, den Chopicalqui, raten uns andere Bergsteiger aufgrund von Schneemangel davon ab, die Ski und Snowboards mitzunehmen.

Da unser Rückflug näher rückt, starten wir zwangsweise ohne Wintersportausrüstung und immer noch etwas geschwächt zu unserem letzten Gipfelziel. Ganz ohne Wintersportausrüstung sind wir dann aber doch nicht unterwegs, denn wir verzichten darauf, heruntergekommene Bergschuhe auszuleihen, und entscheiden uns stattdessen, ab dem Gletscher einfach unsere Ski- und Snowboardschuhe zu verwenden.

Nach der ersten Nacht im Basislager entscheidet Paul, zurück nach Huaraz zu fahren. Dominik und ich gehen weiter über das Moränenlager (5. 100 m) ins Hochlager auf 5. 500 m, unseren höchsten Schlafplatz während des Trips. Dort werden wir für unsere Schuhwahl etwas schräg angeschaut.

Wieder verlassen wir uns auf die Tipps anderer Bergsteiger. Sie haben am Vortag 17 Stunden für die Strecke Highcamp–Gipfel–Highcamp gebraucht. Wir verlassen bereits um 1 Uhr nachts unser Zelt, da für uns zudem noch der komplette Abstieg ins Basislager ansteht.

Viel zu früh erreichen wir die Schlüsselstelle auf über 6.000 Metern Höhe. Hier wäre es nötig, auf Seilsicherung umzusteigen. Mit eiskalten Fingern und Zehen und im Stockdunklen wollen wir keine Erfrierungen riskieren und entscheiden uns für den Rückzug. Wir trauern sowieso die ganze Zeit unseren Snowboards hinterher, denn eine kurze Schlechtwetterfront hat einige Tage zuvor 30 bis 40 cm Pulverschnee abgeladen.

Die Hänge sind traumhaft kupiertes Skigelände mit einzelnen Steilstufen. Eine Stufe müsste man allerdings abseilen. Nach dem langen Abstieg geht es am darauffolgenden Tag nach Huaraz und abends mit dem Nachtbus direkt weiter nach Lima. Dort nutzen wir den letzten Tag noch für etwas Sightseeing und eine Runde Surfen, bevor am nächsten Morgen bereits der Rückflug ansteht

Mit einigen Kilogramm weniger Körpergewicht, leicht erschöpft, aber glücklich über die erlebten Abenteuer der letzten 3,5 Wochen, verlassen wir Peru! ¡Muchas gracias y hasta la próxima!

Fazit

Für ambitionierte Skitourengeher:innen, die gerne Fünf- und Sechstausender mit Ski befahren möchten, ist Peru ein interessantes Tourenziel. Verglichen mit anderen Hochgebirgen wie dem Himalaya bietet die Cordillera Blanca einige Vorteile: Es gibt keine Guide- und Permitpflicht, keine Fixseilmentalität, die Berge sind wenig frequentiert und die Zustiege sind für 6.000er-Verhältnisse kurz.

Es sei allerdings erwähnt, dass es unter den 6.000ern nur wenige technisch leichte Berge gibt. Eine gewisse bergsteigerische Erfahrung ist daher für die allermeisten Skitouren nötig. Die Schneegrenze liegt in der Regel bei ca. 5.200 m Höhe, sodass längere Strecken mit Ski getragen werden müssen. Das Verhältnis von Abfahrt zu Zustieg ist deshalb nicht optimal.

Für reine Genussskitourengeher ist Peru daher vermutlich wenig interessant. Wer allerdings weiß, worauf er sich einlässt, über die notwendigen bergsteigerischen Fähigkeiten verfügt und ein Skitourenziel mit etwas höherem Abenteuerfaktor sucht, kann Peru durchaus in Betracht ziehen.

Weitere Hinweise

In der Cordillera Blanca gehören Satellitentelefon, Schneeanker und Wasserfilter zur Grundausstattung. Eine organisierte Bergrettung oder einen Hubschraubereinsatz gibt es nicht. Im Falle eines Unfalls organisieren die lokalen Bergführer über die Casa de Guias eine Rettung zu Fuß, die einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Eine gute Ausrüstung und eine defensive Tourenplanung sind daher ratsam. Zudem ist es früh in der Saison schwierig, verlässliche Informationen über die aktuellen Verhältnisse zu bekommen.

Diese schwanken von Jahr zu Jahr sehr stark und sind von den Schneefällen in der Regenzeit abhängig. Bei unserem Trip im Mai/Juni 2024 haben wir leider ein außergewöhnlich schneearmes Jahr erwischt. Die Gletscher waren unterhalb von ca. 5.200 m blank und viele Spalten waren weit geöffnet. Die vergangene Saison 2025 war hingegen wieder außergewöhnlich schneereich, was vermutlich für deutlich bessere (Ski-)Bedingungen gesorgt hat. Die Gletscherschmelze ist allgegenwärtig und macht die Touren und Zustiege meist schwieriger.

Zu den leichten Skitouren in der Cordillera Blanca zählen der Nevado Pisco (5.752 m), der Nevado Vallunaraju (5.686 m) und der Nevado Ishinca (5.530 m). Für Liebhaber von Steilwandabfahrten gibt es eine Vielzahl an schönen Zielen, darunter die berühmte Südostwand des Artesonraju („Paramount Pictures“-Berg). Die Nordwände des Ranrapalca und des Quitaraju werden bei passenden Verhältnissen ebenfalls mit Ski befahren. Es gibt auch noch vereinzelt Potential für Erstbefahrungen. Für Steilwandabfahrten müssen allerdings, wie an anderen Orten auch, die Bedingungen passen, was in der Cordillera Blanca leider nur selten der Fall ist.

Bewegte Bilder des Trips gibt es in folgendem Video zu sehen:

Bewegte Bilder des Trips.

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