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Bergwissen

Welt der Wissenschaft I Tour de CCAMM

Forschung im Dialog mit der Praxis

11.12.2025
Jared Kropf
Am 17. November 2025 machte die Tour de CCAMM in Chur Halt, der erste Stopp einer Veranstaltungsreihe, mit der das WSL-Forschungsprogramm CCAMM (Climate Change Impacts on Alpine Mass Movements) seine zentralen Ergebnisse in die Praxis überträgt. Seit 2018 untersucht CCAMM, wie der Klimawandel gravitative Naturgefahren in den Alpen beeinflusst: von Schnee und Lawinen über Murgänge und Felsbewegungen bis hin zu kaskadierenden Prozessen, Schutzwald und gesellschaftlichen Auswirkungen.

Die bodennahe Lufttemperatur ist seit Beginn der Wetteraufzeichnungen deutlich gestiegen, in der Schweiz sogar stärker als im globalen Durchschnitt. Laut den Schweizer Klimaszenarien CH2018 wird die Jahresmitteltemperatur hierzulande selbst bei konsequentem Klimaschutz bis etwa 2060 um weitere 0,7 bis 1,9 Grad steigen (CH2018, 2018). Dieser Wandel wird das Bild der Alpen spürbar verändern.

Höhere Temperaturen lassen nicht nur Gletscher schneller schmelzen und Permafrost auftauen, sondern beeinflussen auch die Eigenschaften der Schneedecke sowie das Fließverhalten von Lawinen. Zudem verändern sie unsere Ökosysteme. Dadurch ändern sich auch die Bedingungen für Naturgefahren wie Felsstürze, Murgänge, Hangrutschungen oder Lawinen. Natürliche Störungen wie Windwurf oder Waldbrände wirken sich zudem direkt auf die Schutzwälder aus, die für die Sicherheit vieler alpiner Regionen von zentraler Bedeutung sind.

Trotzdem ist noch vieles unklar: Wie genau beeinflusst das veränderte Klima die Entstehung und Dynamik solcher Massenbewegungen? Welche Prozesse hängen zusammen und wie können sie sich gegenseitig verstärken? Genau diesen Fragen widmet sich das Forschungsprogramm „Climate Change Impacts on Alpine Mass Movements“ (CCAMM) des WSL. Die Forschenden untersuchen die wichtigsten Zusammenhänge, modellieren zukünftige Risiken und entwickeln Strategien, mit denen sich Bergregionen bestmöglich an die neuen Bedingungen anpassen können (Bast, Bründl & Ortner, 2020).

1. Tourstopp in Chur – Schwerpunkt: Schnee, Lawinen und Schutzwald

Am 17. November 2025 fand der erste Stopp der Tour de CCAMM in Chur statt. Schwerpunkt lag dabei auf den Themen Schnee, Lawinen und Schutzwald. Die Kryosphäre in Gebirgsregionen verändert sich durch den Klimawandel besonders stark.

Im Rahmen der Forschungsarbeiten wurde untersucht, wie die Veränderung des Klimas Schneeverteilung, Schneedeckenaufbau und Schneeeigenschaften beeinflusst und welche Folgen dies für Lawinenbildung und Lawineneigenschaften hat. Die Klimaszenarien für die Schweiz (CH2018) liefern Daten zu möglichen zukünftigen Veränderungen von Temperatur, Niederschlag und Wind, jedoch nur als Tageswerte und mit einer groben räumlichen Auflösung.

Für die Vorhersage zukünftiger Schneedecken und Lawinenverhältnisse reicht diese Auflösung jedoch nicht aus. Die vorhandenen Daten wurden deshalb mit statistischen und physikalischen Methoden „herunterskaliert“. So war es möglich, stündliche Prognosen von Lufttemperatur, Niederschlag, relativer Luftfeuchtigkeit und Globalstrahlung für einzelne Wetterstationen im Hochgebirge zu erstellen. Mithilfe dieser Daten und des physikalischen Schneedeckenmodells SNOWPACK konnten anschließend die saisonale Entwicklung der Schneedecke, der 3-Tages-Schneehöhenzuwachs sowie die Temperaturverteilung der Schneedecke simuliert werden (Mayer et al., 2024). Anhand dieser Simulationen kann auf den „typischen“ Schneedeckenaufbau der Zukunft geschlossen werden.

Die Zukunft bringt mehr Schmelzformen und weniger Schwachschichten

Die Simulationen zeigen, dass Schmelzformen gegen Ende des Jahrhunderts in der Schneedecke häufiger werden, während kantig aufgebaute Schneekörner an Häufigkeit abnehmen (Mayer et al., 2024).

In Abbildung 1a) ist der Schneedeckenaufbau im Jahr 2002 an der Messstation WFJ2 (Weissfluhjoch, Davos; 2540 m ü. M.) dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Schneedecke bis in den Mai durch einen überwiegenden Anteil an aufgebauten Kornformen charakterisiert ist. Schmelzformen findet man lediglich in Form von dünnen, eingelagerten Krusten. Gegen Ende des Winters nimmt der Anteil an abgerundeten Körnern und Schmelzformen immer mehr zu, bis die Schneedecke im Frühjahr bzw. Anfang des Sommers nur noch aus Schmelzformen besteht.

Abbildung 1b) zeigt den simulierten Schneedeckenaufbau an der Station im Jahr 2092 unter Annahme des Emissionsszenarios RCP8.5 (RCP = Representative Concentration Pathway). Das Szenario RCP8.5 geht von einer sehr schwachen Minderung der Treibhausgasemissionen bis zum Ende des Jahrhunderts sowie von einem Temperaturanstieg von 4 - 5 °C, relativ zum vorindustriellen Niveau, bis zum Jahr 2100 aus (Michaelowa, 2016). Es ist zu erkennen, dass die Schneedecke am Ende des Jahrhunderts über den ganzen Winter hinweg deutlich stärker durch Schmelzformen geprägt sein wird. Zudem wird auch die durchschnittliche Schneehöhe am Weissfluhjoch in Davos abnehmen. Dieser Trend ist bis zum Ende des Jahrhunderts auch an allen anderen Stationen, die im Rahmen des Projektes analysiert wurden, zu beobachten (Mayer et al., 2024).

Bedeutet weniger Schnee und weniger Schwachschichten auch weniger Lawinen?

Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts werden sich Art und Häufigkeit von Lawinen deutlich verändern. Trockenschneelawinen werden künftig seltener auftreten und zwar in fast allen Höhenlagen und in allen Klimaszenarien. Besonders stark ist der Rückgang im pessimistischsten Szenario (RCP8.5): Hier kann mit einem Rückgang der Lawinentage mit trockenen Lawinen um bis zu 65 % gerechnet werden (vgl. Abbildung 2). Die prognostizierten höheren Temperaturen in der Schneedecke führen dazu, dass die Temperaturgradienten geringer ausfallen und die Bildung von Schwachschichten somit tendenziell vermindert wird. Dadurch nimmt auch die Wahrscheinlichkeit für trockene Schneebrettlawinen in Zukunft ab (Bründl & Bast, 2025).

Bei Nassschneelawinen zeigt sich ein gemischtes Bild: In tieferen Lagen nimmt ihre Zahl deutlich ab, da der Niederschlag in diesen Höhenlagen in Zukunft häufiger in Form von Regen statt Schnee fällt und somit an weniger Tagen eine Schneedecke vorhanden sein wird. In höheren Regionen über 2300 m werden sie hingegen häufiger, da wärmere Temperaturen dazu führen, dass die Schneedecke im Winter öfter durchfeuchtet wird (Mayer et al., 2024). Unter RCP8.5 steigt die Nassschneeaktivität in großen Höhen zunächst deutlich an, lässt gegen Ende des Jahrhunderts jedoch wieder etwas nach (vgl. Abbildung 2). Diese gegensätzlichen Entwicklungen heben sich teilweise gegenseitig auf, sodass die Gesamtzahl der Lawinentage vor allem bei den milderen Klimaszenarien RCP2.6 und RCP4.5 bis zum Ende des Jahrhunderts nur geringfügig abnimmt.

Im Szenario RCP8.5 ist jedoch mit einem deutlicheren Rückgang zu rechnen. Durch den Klimawandel werden Extremwetterereignisse jedoch häufiger, die zu Perioden mit extremen Niederschlägen und somit zu entsprechend ausgeprägter Lawinenaktivität führen können. Diese Ereignisse lassen sich allerdings nur sehr schwer in zukünftigen Prognosen berücksichtigen. Auch die Saisonalität verschiebt sich: Trockenschneelawinen bleiben wie bisher auf die Kernwintermonate Januar und Februar konzentriert. Bei Nassschneelawinen beginnt die Aktivität hingegen künftig früher im Winter und verteilt sich gleichmäßiger über die Monate Dezember bis März. Gleichzeitig nimmt die Aktivität im späten Frühling (April/Mai) ab, sodass sich der Höhepunkt der Nassschneelawinen nach vorne verlagert (Mayer et al., 2024).

Zusammenfassung - Kernaussagen zum Schwerpunkt Schnee und Lawinen:

  • Die Modellierung der Schneedeckenstabilität erlaubt erstmals Prognosen der zukünftigen Lawinenaktivität.

  • Modellierungen zeigen einen Wandel im Schneedeckenaufbau, zukünftig höhere Schneetemperaturen und einen größeren Anteil an Schmelzformen.

  • Die Lawinentage nehmen je nach Klimaszenarium mehr oder weniger stark ab.

  • Die Anzahl trockener Lawinen nimmt ab, Nassschneelawinen werden häufiger.

Du willst mehr wissen?

Wenn du tiefer in das Thema einsteigen möchtest oder dich auch die Schwerpunkte der anderen Tourstopps (Felsbewegungen und Murgänge/ Prozesskaskaden und Frühwarnung) interessieren, findest du alle Informationen im bald erscheinenden Synthesebericht des WSL.

Literatur

Bast, A., Bründl, M. & Ortner, G. (2020). Die Auswirkungen des Klimawandels auf alpine Massenbewegungen: das WSL Forschungsprogramm CCAMM, S. 15–17.

Bründl, M. & Bast, A. (2025). WSL-Forschungsprogramm Climate Change Impacts on Alpine Mass Movements – CCAMM: Synthesebericht. WSL Ber. 180. S. 404.

CH2018 (2018), CH2018 – Climate Scenarios for Switzerland, Technical Report, National Centre for Climate Services, Zürich, 271 pp., ISBN: 978-3-9525031-4-0.

Mayer, S., Hendrick, M., Michel, A., Richter, B., Schweizer, J., Wernli, H. et al. (2024). Impact of climate change on snow avalanche activity in the Swiss Alps. The Cryosphere, 18(11), 5495–5517. https://doi.org/10.5194/tc-18-5495-2024.

Michaelowa, A. (2016). Klimapolitik weltweit: Erfahrungen mit klimapolitischen Massnahmen. Akademien der Wissenschaften Schweiz. https://doi.org/10.5167/UZH-130447.

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