Spuren im Schnee, Spuren im Bewusstsein
Wie betont ist der Klimawandel ist nicht der einzige Stressfaktor für den Bergwald. Neben dem menschengemachten Klimaveränderungen erhöhen wir auch den direkten Druck auf den Wald und dies oft ohne es zu wollen. Unachtsamer Wintersport wie beispielsweise Freeriden im Wald kann Böden verdichten, junge Bäume verletzen und schützende Schneeschichten zerstören. Besonders gefährdet ist der Jungwald, dar dessen Setzlinge unter der Schneedecke kaum sichtbar sind. Wo Stahlkanten von Ski und Snowboard Terminaltriebe abtrennen, verkümmert der Nachwuchs, und die sogenannte Naturverjüngung kommt zum Erliegen. Das schadet langfristig auch der Schutzfunktion des Waldes, die gerade in Zeiten klimatischer Instabilität so entscheidend ist.
Noch gravierender sind die Folgen für die Tierwelt. Im Winter leben viele alpine Arten am Energieminimum. Gams-, Stein- und Rotwild senken ihren Stoffwechsel, verringern Herzschlag und Körpertemperatur, um Kalorien zu sparen. Untersuchungen des Nationalparks Hohe Tauern zeigen, dass Störungen in dieser Zeit lebensbedrohlich sein können. Ein aufgescheuchtes Tier verbraucht in wenigen Minuten so viel Energie, wie es sonst an einem ganzen Tag spart. Ähnliches gilt für die Raufußhühner – Schnee-, Birk- oder Auerhuhn –, die in selbstgegrabenen Schneehöhlen überwintern. Wird ihre Ruhe gestört, verlieren sie Energie, die sie im harten Winter nicht ersetzen können. Deshalb appellieren Initiativen wie „Respect Wildlife“ oder „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben“ an uns alle, rücksichtsvoll unterwegs zu sein. Wer Wildruhezonen respektiert, Dämmerungszeiten meidet, Hunde anleint und bekannte Routen wählt, schützt nicht nur Tiere, sondern auch die Stabilität des gesamten Systems.
Denn ein gestörter, geschwächter Wald verliert seine Schutzwirkung, und zwar für Bergdörfer genauso wie für die Infrastruktur, die wir wie selbstverständlich nutzen. Straßen, Parkplätze, Lifttrassen und Pisten sind Nutznießer des Bergwaldes, ohne der erklärten Schutzfunktion des Waldes würde die Bodenerosion vielen Bauwerken im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen wegziehen. Wichtig ist daher zu verstehen, dass der Bergwald weit mehr ist als eine Kulisse für unser Vergnügen. Er dämpft Wind, hält Schnee, filtert Wasser, stabilisiert Hänge und kühlt das Mikroklima. Er sorgt dafür, dass unsere Touren sicher sind und zu guter Letzt auch, dass Schnee in schneearmen Wintern in Waldnahen Schattenlagen etwas länger liegenbleibt. In Zeiten steigender Nullgradgrenzen ist gerade das ein Wert auf den sich nicht verzichten lässt. Ohne gesunde Wälder gibt es keine stabilen Schneefelder, keine sicheren Zustiege, kein verlässliches Powderglück.
Leider sind weniger Schneetage, instabilere Hänge und häufigere Extremereignisse bereits Realität. Für Regionen, die am Wintertourismus hängen, wird Anpassung daher zur Überlebensfrage. Künstliche Beschneiung mag kurzfristig helfen, doch sie verschiebt Wasser- und Energiebilanzen. Langfristig tragen zu einem funktionalen Schutz und Wassermanagement nur Wälder bei, die stark und vielfältig sind. Und so bleibt eine unangenehme Lehre festzuhalten: Der Klimawandel bedroht den Bergwald – und damit auch den Wintersport. Wir können nur so frei im Schnee unterwegs sein, wie wir es schaffen den Wald fair zu behandeln. Verantwortung für den Wald ist dabei kein Widerspruch zur Leidenschaft des Skifahrens du Tourengehens, sondern ihre Bedingung. Sie zeigt sich in kleinen Entscheidungen – im Respekt vor Wildruhezonen, im bewussten Reisen und Fortbewegen, im Verzicht auf unnötige Spuren. Forscherinnen wie Julia Pongratz oder Rupert Seidl zeigen, dass Anpassung möglich ist, wenn wir sie ernst nehmen und Projekte wie der „Klimafitte Bergwald Osttirol“ beweisen, dass Engagement auf lokaler Ebene wirkt. Der Schnee von morgen hängt am Wald von heute. Und der bleibt nur stark, wenn wir ihn als das sehen, was er ist: unser stiller, unersetzlicher Partner.