Bernhard Scholz betreibt den Blog skialpinist.com und arbeitet an einem Buch über die Geschichte des Steilwandfahrens, für das er ausführliche Interviews mit den Größen der frühen und aktuellen Szene geführt hat. Im folgenden Gespräch erklärt Anselme Baud unter anderem, warum er findet, dass Abseilen nicht als Skifahren zählt, und warum harter Schnee beim Steilwandfahren besser ist als Powder.
BS: Wie bist Du zum Skifahren gekommen?
AB: Ich bin immer Ski gefahren, ich wollte immer Ski fahren. Vom ersten Schnee an bis zu den letzten Resten, die irgendwo lagen, ich war immer mit den Ski unterwegs. Meine Lust auf Skifahren ist bis heute ungebrochen. Es war normal, ĂĽberall mit Ski zu fahren, also logischerweise auch in den steilen Hängen. Ich bin dann auch Skirennen gefahren und habe meine Ausbildung zum BergfĂĽhrer gemacht. All meine männlichen Verwandten waren BergfĂĽhrer, da war es auch fĂĽr mich naheliegend, das zu machen. Mit dem Steilwandfahren begannen wir – Patrick Vallençant und ich – dann Anfang der 70er.Â
Wie hast Du Patrick Vallençant kennen gelernt?
Mit 18 nahm ich an einem Vorbereitungskurs für Bergführer teil. Dort habe ich unter anderem auch Patrick kennen gelernt. Im folgenden Jahr waren wir beide gemeinsam in der „Ecole National du Ski et Alpinism" (ENSA) in Chamonix, um die Bergführerausbildung zu absolvieren. Dort haben wir gemerkt, dass wir in eine sehr ähnlich Richtung denken. Er hatte damals schon die Nordwand der Tour Ronde und die Aiguille d'Argentiere mit Ski abgefahren, ich zwar nichts in dieser Größenordnung, aber bei mir zuhause in Morzine gibt es auch steile Abfahrten und wir sprachen viel darüber.
Wusstet ihr von den anderen Steilwandskifahrern? Sylvain Saudan, Heini Holzer usw.?
Zunächst sehr wenig. Erstmal kannten wir nur Saudan. Aus dem „Nichts" kam dann Heini Holzer und ist die Brenvaflanke als Erster abgefahren und auch die Nordwand der Aiguille d'Argentiere. Das haben wir erst im Nachhinein mitbekommen. Er war sehr bescheiden und sprach nicht viel über seine Vorhaben. Ab dem Zeitpunkt kannten wir ihn aber und haben seine Abfahrten verfolgt.
Von Saudan wussten wir natürlich mehr. Er kam manchmal mit Freunden hierher nach Chamonix. Sie fuhren Ski und tranken Bier, und da kam es wohl in einer Bar dazu, dass sie darüber sprachen, dass jemand das Spencer mit Ski abfahren solle. Er hat sich das zugetraut, seine Freunde halfen ihm dabei, mit den Ski aufzusteigen, und er hat es dann gemacht und geschafft. Sie haben noch ein paar Fotos davon geschossen und als sie wieder im Tal waren hat sich eine Frau vom Magazin „Ski Flash" dafür interessiert. Sie publizierte die Abfahrt und setzte das sogar auf die erste Seite. Das war der Beginn! Damals, 1967/68, gab es noch nicht einmal den Begriff „Abseits der Skipiste" und von Steilwandskifahren oder Extremskifahren hat erst recht niemand gesprochen. Nach diesem ersten Artikel ging es aber richtig los.
Saudan hat sofort verstanden, dass man daraus etwas schaffen kann und hat sein ganzes Leben darauf aufgebaut. Von den zwei oder drei Filmen, die er gedreht hat, lebt er bis heute. Er fuhr auch immer bei weichem Schnee und er benutzte natürlich auch Seile um sich zu sichern – im Couloir Gervasutti beispielsweise (was er heute natürlich nicht mehr so erzählt). Nichts desto trotz hat er das „Spiel" grundlegend verändert, da er die Medien für sich interessieren konnte.
Wir haben darüber anfangs noch etwas gelächelt, da wir andere Grundsätze verfolgten. Unserer Ansicht nach muss man einen Berg erst hinaufsteigen bevor man abfährt. Helikopter lehnten wir ab, Hilfe von Außen, Träger beispielsweise, ebenfalls. Wir schafften alle unsere Abfahrten auf ehrliche und aus unserer Sicht seriöse Weise.