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Schneegestöber

SchneeGestöber 8 2020/21 | Wenn die Auslösewahrscheinlichkeit von Schneebrettlawinen abnimmt

Schneebrett und Schwachschicht verändern ihre Eigenschaften

von Lukas Ruetz 23.01.2021
Während es vor einer Woche in den Nordalpen eine prekäre Situation mit zahlreichen, spontanen Lawinen gab, sieht man inzwischen kaum mehr frische Lawinen, die von selbst abgehen. Schwachschicht und Schneebrett verändern oft schnell ihre Eigenschaften zum Positiven – wir vergleichen dazu zwei Profile, die während der Situation und eine Woche danach ganz in der Nähe aufgenommen wurden.

Überblick – Gemeinsamkeiten

Betrachtet man die Profile kurz auf ihren grundlegenden Bereiche und Charakteristiken, fallen sofort die Gemeinsamkeiten auf: Ähnliche Schneehöhe, gleiche Abfolge von den feuchten Schmelzformen an der Basis über kantig-abgerundete Kristalle im unteren Bereich, gefolgt von zwei Krusten mit kantigen Kristallen dazwischen sowie einer markanten kantigen Schwachschicht oberhalb der zweiten Kruste. Darüber liegt dann der Neuschnee des Schneefalls von Mitte Jänner, der die angespannte Lawinensituation auslöste.

Überblick – Unterschiede

Da die Profile ganz in der Nähe an einem ähnlichen Standort aufgenommen wurden, sieht man auch schön, wie sich die Schneedecke vom 17.01. auf den 23.01. verändern konnte. Der Neuschnee, der Mitte Jänner gefallen ist, wandelte sich in der Zwischenzeit merklich abbauend zu mehr und kleineren, rundkörnigen und filzigen Kristallen um. Außerdem setzten sich die ca. 40 cm Neuschnee vom ersten Profil auf nicht einmal 30 cm im zweiten Profil. Zusätzlich ist der Neuschnee von Mitte Jänner von einem kurzen Wärmeeinbruch um den 21.01. oberflächlich angeschmolzen und am Tag der Profilaufnahme schon zu einer dünnen, oberflächlichen Kruste wieder gefroren. Auf dieser liegt nun ein wenig „neuer“ Neuschnee vom Aufnahmetag von Profil 2.

Daneben wurde die Temperaturreserve der Schneedecke durch den Wärmeeinbruch geringer. Die rote Linie in Profil 2 befindet sich durchgehend etwas weiter rechts als in Profil 1

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Interpretation der Schneedeckenentwicklung vom 17.01. bis zum 23.01.2021

Als Schwachschicht kommen am ehesten die beiden kantigen Schichten oberhalb und unterhalb der Schmelzkruste bei ca. 50cm in Frage. Diese Kruste ist bei einem Regenereignis kurz vor Weihnachten, am 21./22.12., entstanden. Die obere, kantige Schicht mit ihrem oberen Ende bei 60cm Schneehöhe stellt jeweils die Altschneeoberfläche der langen Kältephase von Ende Dezember bis Mitte Jänner dar. 

Die Schneedeckenstabilität

Am 17.01. gab es beim Betreten dieses flachen Bereiches im Garten des Schneestöberers noch ein saftiges Setzungsgeräusch vor der Profilaufnahme. Die beiden ECTs mit Ergebnis ECTP0 und ECTP5 bestätigen die damals sehr störanfällige Schneedecke. Die Kombination aus dem kalten, frischen Schneebrett aus Neuschnee und der aufbauend umgewandelten Altschneeoberfläche aus kantigen Kristallen war perfekt zum Ausbreiten von Brüchen geeignet.

Die hohe, spontane Lawinenaktivität und die zahlreichen Unfälle von Mitte Jänner bestätigten die Situation ebenfalls. 

Sechs Tage später, am 23.01. bei Profil 2 sehen wir zwar immer noch den fast gleichen Aufbau der Schneedecke in der Profilgrafik. Allerdings sprechen die Stabilitätstests eine ganz andere Sprache. Bei wesentlich höherer Belastung konnten beim ECT nur zwei Teilbrüche in der Schwachschicht erzeugt werden: Ergebnisse ECTN 12 und ECTN 16 vs. ECTP0 und ECTP5 bei Profil 1. Zusätzlich wurde ein PST mit einer Gesamtlänge von 370 cm in der Schwachschicht durchgeführt. Bei diesem konnte ebenfalls keine Bruchausbreitung erzeugt werden. Mehrmals brach das Schneebrett oberhalb der Schwachschicht vertikal auseinander (Slab Fracture). Die Kombination aus Schwachschicht und Schneebrett funktioniert an dieser Seehöhe einfach inzwischen zur Bruchausbreitung nicht mehr.

Warum ist keine Bruchausbreitung mehr möglich?

Schneebrett und Schwachschicht haben ihre Eigenschaften massiv verändert ohne große Unterschiede im Schichtprofil erkennen zu können. Das Schneebrett hat sich gesetzt, verfestigt und ist inzwischen schwach feucht. Eine ganz leichte Durchfeuchtung wirkt in diesem Fall positiv auf die Schneedecke durch eine Abnahme der Sprödigkeit des Bretts.

Die Schwachschicht hat sich durch die knappe Woche Auflast des Neuschnee-Bretts (mechanische Umwandlung) und den nun geringen Temperaturgradienten (abbauende Umwandlung) ebenfalls deutlich verfestigt – die Kristalle haben merklich mehr Bindung untereinander aufgebaut. Die Veränderung der Schwachschicht ist allerdings am Profil selbst nicht zu erkennen, da man diese feinen Unterschiede kaum mit den vorhandenen Möglichkeiten in einer Profilgrafik beschreiben kann.

Aber beim Graben und mit dem Gespür der Finger konnte man es deutlich unterscheiden: Bei Profil 1 am 17.01. ist die kantige Schicht schon von selbst – auch im Flachen – beim Ausstechen der Profilwand beziehungsweise des ECT von selbst heraus gerieselt. Bei Profil 2 vom 23.01. ist sie von selbst gar nicht mehr raus gerieselt. Außerdem spürte man mit den Händen den extrem lockeren „Zuckerzustand“ ohne irgendeine Bindung der Kristalle zueinander nicht mehr. Die Schicht hat sich einfach leicht verfestigt und Bindungen der Kristalle sind entstanden. Allerdings ist sie immer noch so weich, dass man dafür Härte 1 (Faust) vergeben musste. Das Profil kann diesen feinen aber entscheidenden Unterschied nicht abbilden.

Fazit

Schichtprofile sind nett und interessant – aber ohne Stabilitätstests für die Praxis wenig bis gar nicht brauchbar. Die richtige Kombination aus Schneebrett und Schwachschicht für die Bruchausbreitung kann man nur mit einem Extended Column Test, einem Propagation Saw Test oder einem Rutschblocktest herausfinden. In höheren Lagen geht die Setzung nicht so schnell von statten und es ist weiterhin Vorsicht geboten.

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